Der Puzzlemoerder von Zons
Martin noch nie richtig leiden. Sie war überzeugt, dass Anna ohnehin einen besseren Mann verdient gehabt hätte. Aber die Sache mit Christopher ging selbst ihr an die Nieren. So etwas hatte sie nicht erwartet. Sie war nur froh, dass die beiden mittlerweile nach Berlin umgezogen waren, um dort ihr neues Liebesglück uneingeschränkt genießen zu können. So bestand wenigstens keine Gefahr, den beiden täglich über den Weg zu laufen.
Emily suchte ihr Handy aus der Handtasche und rief Anna an. Sie verabredeten sich für den Nachmittag in Annas kleinem Appartement. Das fand Emily furchtbar praktisch, denn Anna wohnte in Zons. Ihr Appartement lag direkt in einem kleinen Häuschen rechts vor dem Zollturm. Sie suchte schnell ihre Unterlagen über die Zonser Morde im 15. Jahrhundert zusammen. Schon vor ein paar Wochen hatte sie mit ihren Recherchen begonnen, in der Hoffnung, die Reportage für die Rheinische Post schreiben zu dürfen. Sie wollte sich die Orte der Verbrechen in der Realität ansehen, um dann eine bessere Beschreibung der Morde liefern zu können.
Sie überflog rasch noch einmal ihre Unterlagen. Die erste Tote mit dem Namen Elisabeth Kreuzer, war ein 18 Jahre altes Mädchen aus Zons. Sie lebte im Haus direkt neben dem Krötschenturm, der sich im Nordwesten des Städtchens befand. Laut den Unterlagen war ihre Leiche in der Nacht vom 15. Dezember 1495 von einem Anwohner namens Wernhart Tillmanns gefunden worden. Ein gewisser Bastian Mühlenberg leitete damals die Morduntersuchungen. Beide waren Mitglieder der Stadtwache. Der Mord muss äußerst brutal gewesen sein. Das Mädchen war gefoltert, vergewaltigt und am Ende an einer Eisenkette aufgehängt worden. Auf ihrem Kopf wurde eine Tätowierung gefunden, die aus mehreren Zeichen und Buchstaben bestand. Diese konnten zunächst nicht entziffert werden. Eine Kopie der Skizze dieser Tätowierung befindet sich heute noch im Kreisarchiv Neuss zusammen mit weiteren Unterlagen zu diesem Mord. Diese Unterlagen musste Emily unbedingt haben. Wenn sie sich am Nachmittag mit Anna traf, wollte sie sie bitten, mit ihr in das Kreisarchiv in der Zonser Schlossstraße 1 zu gehen.
IV .
Vor fünfhundert Jahren
Seine Hände zitterten wieder. Dies taten sie immer wenn er an seinen Vater dachte.
„Bete ein Vaterunser und noch eins. Sprich mit ruhiger Stimme und höre verdammt noch mal auf zu zittern!“
Und mit jedem Gebet sauste die Peitsche auf seinen nackten Rücken nieder. Er kniete mit durchgescheuerten Hosen vor dem Hausaltar und hoffte, dass Gott ihn doch erhören und erlösen würde, doch das tat er nie.
Seit er sich erinnern konnte, wurde er von seinem Vater geschlagen. Jeden Tag musste er stündlich beten und jede Stunde sauste die Peitsche auf ihn nieder. Manchmal war es auch ein Knüppel und als er älter wurde, hatte die Peitsche kleine spitze Metalleinsätze am Leder. Sein Rücken war voller Narben und längst war jedes Gefühl aus dieser Haut entwichen. Der Vorteil war, dass die Narben stärker waren, als die ursprüngliche zarte Jungenhaut. Sie zerriss nicht mehr sofort und blutete auch erst viel später.
Einmal fiel er nach vorne, weil seine Knie so wund waren, dass er sich nicht mehr auf ihnen halten konnte. Da nahm sein Vater einen dicken mit Eisennägeln beschlagenen Knüppel un d schlug so heftig auf sein linkes Bein, dass er seitdem humpelte. Dies tat seinem Vater wohl irgendwie leid oder es lag daran, dass er nicht mehr soviel auf dem Feld arbeiten konnte, jedenfalls benutzte er seit diesem Tag keine Knüppel mehr.
Doch die Prügelei ging weiter und Gott erhörte sein verzweifeltes Flehen nach einem anderen Leben nicht. Am Ende hatte nicht Gott, sondern die Pest ihn erlöst und seinen alten Vater innerhalb von drei Tagen aus seinem sadistischen Leben gerissen. Da war er 15 Jahre alt. Seine Mutter starb bereits bei seiner Geburt und so war er zeitlebens seinem brutalen Vater hilflos ausgeliefert.
Für ihn gab es keine Liebe und nie war jemand da, der ihn in seiner Angst und Verzweiflung trösten konnte. Aber er rächte sich schon früh. Wenn er Gott schon nicht dafür bestrafen konnte, dass er in dieses erbärmliche Leben hineingeboren wurde, mit einem Teufel als Vater, dann konnte er sich wenigstens an Gottes Geschöpfen r ächen. Mal sehen, ob der liebe Gott sich erweichen und einen von ihnen vor seinen Taten retten konnte, aber es geschah niemals.
Erst tötete er kleine Vögel. Er konnte sich noch sehr gut an seinen ersten Spatzen erinnern. Im
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