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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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dem Gesicht des Mannes war, nahe genug, daß der heisere übermenschliche Atem das ganze Zelt erfüllte.
    »Halleluja«, sagte Billy Joe Raye. »Der Herr ist mit euch.« »Halleluja«, sprach das ganze Zelt ihm nach.
     
    »A-men«, stammelte der Blinde.
    »Der Herr ist mit euch«, sagte Billy Joe nochmals. »Sprecht es nun dreimal mit mir: Der Herr ist mit mir.«
    »DER HERR IST MIT MIR.« »DER HERR IST MIT MIR.« »DER
    HERR IST MIT MIR.« »So ist es gut«, sagte Billy Joe und nickte strahlend.
    »Ich weiß, meine Brüder und Schwestern, weshalb ihr bierhergekommen seid. Ihr seid hierhergekommen, weil ihr krank seid an Leib und an Geist und an Seele, und weil ihr der heilenden Liebe Gottes bedürftig seid.« Stille und ein tiefes Aufatmen.
    »Aber wißt ihr auch, weshalb i c h hier stehe?« fragte der Mund des Predigers von der Bühne, und mit ihm fragten zwei Dutzend Predigermünder aus zwei Dutzend Fernsehmonitoren.
    »Um uns zu heilen! « schrie es neben Michael. »Um mich wieder gesund zu machen! «
    »Um meinem Jungen das Leben zu retten«, kreischte eine Frau, stieß ihren Stuhl zurück und fiel auf die Knie.
    »A-men«, sagte der Blinde.
    »O nein«, sagte Billy Joe, »ich kann euch nicht heilen.« Eine Frau begann zu schluchzen.
    »Sag das nicht! « schrie eine andere. »Das darfst du nicht sagen, hörst du! «
    »Nein, Schwester, ich vermag dich nicht zu heilen«, sagte Billy Joe abermals. Noch mehr Leute begannen zu weinen.
     
    »Aber GOTT ist es, der euch zu heilen vermag. Durch diese meine Hände.« Und er hielt sie empor, sämtliche Finger gespreizt, so daß jeder sie sehen konnte.
    Da erwachte die Hoffnung von neuem in einem Sturm von Hosiannas.
    »Denn der Herr ist allmächtig. Sprecht es mir nach«, sagte Billy Joe.
    »DER HERR IST ALLMÄCHTIG.« »Er kann auch dich heilen.«
    »ER KANN AUCH MICH HEILEN.« »Denn der Herr ist mit dir.«
    »DENN DER HERR IST MIT MIR.«
    »A-men«, flüsterte der Blinde, während ihm Tränen in die blicklosen Augen stiegen.
    Tief und mit elektronisch verstärktem Gestöhn atmete Billy Joe auf.
    »Auch ich war ein todgeweihtes Kind«, sagte er.
    Abermals kam aus den Verstärkern der Radioatem, diesmal schwer und bekümmert.
    »Schon streckte der Teufel die Klauen nach meiner Seele, schon machten die Würmer sich fertig, in meinem Fleische Verstecken zu spielen. An meinen Lungen zehrte die Schwindsucht, die Anämie zersetzte mir das Blut, und Mutter und Vater wußten, daß ich sterben würde. Auch ich wußte es, und ich fürchtete mich sehr.« Nun war es der Atem eines zu Tode gehetzten Hirsches, der zum letztenmal die Luft einzieht.
    »Mein Pfad war der Pfad der Sünde gewesen, ich hatte mich dem billigen Schnaps, ja dem Spiele ergeben, wie weiland die Söldner, die da würfelten um die Gewänder des Herrn. Unzucht hatte ich getrieben mit liebestollen und kranken Weibern, die so geil waren wie die Große Hure Babylon. Aber eines Tages, als ich darniederlag in meinem Bett voll von Verzweiflung, fühlte ich, wie etwas Seltsames in mir geschah. Tief drinnen in mir begann sich etwas zu regen, sacht wie ein Küken, wenn es fühlt, daß die Zeit gekommen ist, die harte Eierschale zu durchbrechen.
    Es prickelte in meinen Fingerspitzen und in meinen Zehen, und wo ich die ersten Regungen verspürt hatte, breitete sanfte Wärme sich aus, wie kein von Menschen gebrannter Whisky sie geben kann, und ich fühlte das Licht Gottes ausbrechen aus meinen Augen, und ich sprang aus meinem Bett und rief laut in all meiner Seligkeit und WUNDERBAREN GESUNDHEIT:
    >MAMMI! PAPPI Der Herr hat mich berührt! ICH BIN
    GERETTET!<«
    Ein Beben der Hoffnung und des Glücks ging durch das Zelt, und die Menschen hoben die Augen zu ihrem Gott und dankten ihm.
    Neben dem fetten Weib saß ein junger Mann, dessen Wangen naß von Tränen waren. »Bitte, lieber Gott«, sprach er vor sich hin. »Bitte.
    Bitte. Bitte. Bitte. Bitte. Bitte.«
    Michael hatte den jungen Mann erst jetzt bemerkt, und mit einem Gefühl dumpfer Unwirklichkeit erkannte er in ihm Dick Kramer, ein Mitglied der Gemeinde des Tempels Sinai.
    Gütig blickte Billy Joe von seiner Bühne auf die Zuhörer herab. »Von diesem Tag an predigte ich das Wort Gottes, obwohl ich damals noch ein Knabe war. Zuerst auf Meetings landauf und landab, später, wie einige von euch guten Leuten wissen, als Seelsorger der Heiligen Kirche der Fundamentalisten in Whalensville.
     
    Und bis vor zwei Jahren dachte ich nicht daran, daß ich noch irgend etwas

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