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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Pfaffen, den kann ich fertigmachen auf eine Art, von der du dir nichts träumen läßt.«
    Draußen ging sie sehr langsam durch den Regen. Sie glaubte nicht zu weinen, aber ihr Gesicht war plötzlich so naß, daß sie dessen nicht sicher war. Hätte sie die Story doch in der Redaktion gelassen!
    Nun würde der arme Alte mit dem Taschenmesser und dem Schnitzholz vergeblich auf seinen Namen und sein Bild in der Zeitung warten.
    Ihr Hochzeitstag fiel auf einen Sonntag, und sie mußten früh aufstehen, weil Michael um neun Uhr Unterricht im Tempel hatte.
    So beschenkten sie einander beim Frühstück; er zog den neuen Pullover an, und sie war sehr glücklich mit den zur Gemmenbrosche passenden Ohrgehängen, die er schon vor Monaten für sie gekauft hatte.
    Nach dem Mittagessen nahm Michael einen Rechen und begann die Beete im Vorgarten zu harken, wobei er kübelweise die welken Blätter entfernte. Ein Beet war schon gesäubert, das andere zur Hälfte, als die Autoprozession begann. Da er diesmal einen günstigen Platz und genügend Zeit hatte, ließ er die Blätter Blätter sein, lehnte sich auf den Rechen und sah zu. Meist saßen die Kranken im Fond.
    Viele von ihnen hatten Krücken. Manche Wagen führten auf dem Verdeck oder im Kofferraum Rollstühle mit. Ab und zu kam auch ein gemieteter Krankenwagen vorüber.
    Schließlich hielt er es nicht länger aus. Er ließ sein Werkzeug fallen und ging ins Haus. »Jetzt möchte ich einen Fernseher haben«, sagte er zu Leslie. »Nur um zu sehen, was an dem Kerl dran ist, daß er Sonntag für Sonntag solch einen Zulauf hat.«
    »Es ist ja nur ein paar Kilometer«, sagte sie. »Warum fährst du nicht hinaus und schaust ihn dir an?«
    »An unserem ersten Hochzeitstag?«
     
    »So fahr doch«, sagte sie, »mehr als zwei Stunden wird es ja nicht dauern.«
    »Ich tu's wirklich«, sagte er.
    Er wußte zwar nicht, wo das Gebetsmeeting stattfand, aber es war leicht zu finden. Er wartete die erste Verkehrslücke ab und reihte sich mit seinem Wagen ein. Der Kurs führte über die kurvenreiche Straße, überquerte den Hauptplatz und führte zur anderen Stadtseite, durch das Negerviertel mit seinen baufälligen Häusern und abblätternden Hütten und hinauf auf die Autobahn. Dort traf er auf eine andere Autokolonne, die aus der Gegenrichtung herankam. In ihr bemerkte Michael nicht nur Georgia-Kennzeichen, sondern auch solche aus South und North Carolina. Schon lange bevor das geräumige Zelt in Sicht kam, bogen die Wagen von der Straße ab und holperten über die Äcker, eingewiesen von halbwüchsigen Negern oder weißen Farmerjungen mit Strohhüten, die neben ihren selbstgemachten Hinweistafeln standen und eine um so höhere Parkgebühr einhoben., je näher man dem Zelt kam: PARKING C 50.
    PARK YOUR CAR C 75. PARK HERE $ 1,00
    Einige Wagen, und Michael mit ihnen, fuhren auf der Autobahn weiter, bis sie zu der rotlehmigen Parkfläche kamen, die mit Bulldozern rund um das Kirchenzelt ausgepflügt worden war. Man fuhr durch eine schmale Öffnung ohne Seilsperre, gerade so breit wie ein Wagen; an der Sperre stand ein kahlköpfiger Mann in spiegelnden schwarzen Hosen, weißem Hemd und schwarzer Baumwollkrawatte.
     
    »Der Herr segne Ihren Eingang, Bruder«, sagte er zu Michael. »Guten Tag.«
    »Das macht zwei Dollar fünfzig.« »Zwei fünfzig - nur fürs Parken?«
    »Wir tun unser Bestes, um diesen Platz für die Lahmen und Bresthaften freizuhalten. Und so heben wir zweieinhalb Dollar pro Wagen ein. Das Geld fließt der Predigerschaft der Heiligen Fundamentalisten zu, damit das Werk Gottes gefördert werde.
    Wenn's Ihnen aber zuviel ist, dann können Sie zurückfahren und den Wagen im Acker parken.«
    Michael warf einen Blick zurück. Die Straße hinter ihm wär total verstopft. »Ich bleibe«, sagte er. Dann fühlte er nach dem Geld in der Tasche und holte zwei Dollarnoten und ein Fünfzig-Cent-Stück heraus.
    »Der Segen des Herrn sei mit Ihnen«, sagte der Mann, immer noch lächelnd.
    Michael stellte den Wagen ab und machte sich auf den Weg zum Zelt. Gerade vor ihm lehnte ein kleiner magerer Junge mit teigigem Gesicht an einem Kotflügel und gab gurgelnde Laute von sich.
    »Also paß auf, Ralphie Johnson, jetzt ist Schlug damit«, sagte eine Frau mittleren Alters, während sie sich über ihn beugte. »Da fahren wir nun so weit, und du fängst nur ein paar Schritte vor dem Heiligen Mann schon wieder mit deinen Dummheiten an! Sofort kommst du mit; hörst du! «
    Das Kind begann zu weinen.

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