Der Rabbi
milchiges von fleischigem Geschirr zu trennen, sie zündete am Freitag mit Einbruch der Dämmerung keine Kerzen mehr an und arrangierte statt dessen an diesem Abend eine wöchentliche Canasta-Partie.
Abe war mit der neuen Atmosphäre offensichtlich zufrieden. Seit seines Vaters anklagender Blick ihn nicht mehr überwachte, konnte er selbst manches tun, was er sich schon lange gewünscht hatte. Das Miedergeschäft prosperierte (»Hüftgürtel expandieren rasch, Büstenhalter stagnieren«), und Abe hatte einen kommerziellen Status erreicht, der es vorteilhaft erscheinen ließ, einen Käufer in ein Nobelrestaurant in Manhattan zum Lunch einzuladen, wenn man einen Auftrag abschließen wollte. Abe genoß diese neuen Erfahrungen, und manchmal, wenn er abends heimkam, erzählte er Frau und Kindern von den fremden köstlichen Speisen, die er gegessen hatte. Hummer erregte seine Begeisterung, und er beschrieb ihnen den Geschmack des süßen, rosigen, in zerlassene Butter getunkten Fleisches so lebhaft, daß es ihre Phantasie anregte.
»Schmeckt es wie Huhn?«
»Ein wenig. Aber auch wieder nicht.«
»Schmeckt es wie Fisch?« »Ein wenig.«
»Wie schmeckt es also wirklich?«
Schließlich kam er an einem Samstagnachmittag mit einem großen feuchten Paket nach Hause. »Da«, sagte er zu Dorothy. »Ess gessunteh hait.«
Sie nahm das Paket und quietschte, als sie es auf den Küchentisch legte.
»Da ist was Lebendiges drin«, sagte sie.
Er öffnete das Paket und lachte schallend, als er sah, was für ein Gesicht seine Frau beim Anblick der Hummer machte. Er hatte drei Stück mitgebracht, sie waren groß und grün, mit kleinen dunklen, hervortretenden Augen. Dorothy schauderte. Als aber dann der Augenblick kam, die Tiere ins kochende Wasser zu werfen, zeigte es sich, daß Abe selbst keineswegs furchtlos war angesichts der suchenden Fühler und der schrecklichen Scheren, und jetzt war es Dorothy, die lachte. Sie wollte nichts von den Hummern essen. Zwar hatte sie gegen die Strenge ihres Schwiegervaters rebelliert und die Familie dazu ermutigt, sich gegen die Dinge, die er vertrat, zu empören - aber sie fand, es sei ein großer Unterschied, ob sie in ihrem Küchenschrank milchiges und fleischiges Geschirr nicht auseinanderhielt, oder ob sie Fleisch aß, das sie zeitlebens als verboten und widerlich ansehen gelernt hatte. Schaudernd lief sie aus der Küche. Aber den Speck, den Abe nach Hause brachte und knusprig briet, fand sie bald recht wohlschmeckend, und es dauerte nicht lange, da gab es mehrmals in der Woche Speck mit Ei zum Frühstück.
Michaels Vater war einer der ersten in seiner Branche, der Strumpfbandgürtel in bunte Röhrchen verpackte, und die Begeisterung, mit der die Kunden diese Neuerung aufnahmen, ließ ihn von Expansion und weiterem Aufstieg träumen. Eines Tages kam er nach Hause und bat Dorothy, ihre Schürze abzunehmen und sich zu setzen.
»Dorothy«, sagte er, »was würdest du davon halten, wenn ich deinen Namen änderte?«
»M'schugener, das hast du schon vor vierzehn Jahren getan.«
»Dorothy, ich meine es ernst. Ich meine, den Namen Rivkind ändern. Legal.«
Erschrocken sah sie ihn an. »Ändern? Wie denn? Und warum?«
»Rivknds Foundations, Inc., darum. Der Name klingt genauso, wie die Firma eben ist: kleine Miedermacher, die niemals in der Branche führend sein werden. Diese neuen Verpackungen verdienen einen Namen von Klasse.«
»Dann ändere doch den Namen der Firma. Was hat das mit unserem Namen zu tun?«
»Schau her. Wir brauchen unseren Namen nur zu halbieren.« Und er zeigte ihr den auf ein Briefblatt getippten Slogan: »Be KIND To Your Figure«. (Sei freundlich zu deiner Figur.) So wurde der Name der Familie Rivkind gerichtlich geändert, weil das Wort Kind in einen Werbeslogan auf eine schmale Gürtelverpackung paßte - vor allem aber wohl deshalb, weil es für Michaels Vater aus irgendwelchen zwingenden inneren Gründen so wichtig war, Mr. Kind von Kind Foundations zu sein. Reformen, selbst im persönlichen Bereich, lassen sich schwer in engen Grenzen halten. Einige der Nachbarn waren schon in neue Stadtviertel in Queens übergesiedelt, und schließlich gab Abe Dorothys Drängen nach und sie kauften eine Wohnung in einem Neubau in Forest Hills.
Auf Isaac schien die Nachricht keinen Eindruck zu machen, daß sie Brooklyn verlassen hatten und in ein Stadtviertel gezogen waren, das meilenweit vom Sons of David-Heim entfernt lag. Ihre Besuche bei ihm waren seltener und seltener
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