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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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brannten, dann in die Krankenabteilung, wo ein Halbdutzend bejahrter Pfleglinge in den Betten lag, und schließlich in den Tagesraum, wo ein paar alte Knacker Schach spielten, ein paar Weiblein strickten und der Rest die jüdische Zeitung las. Dabei redete Mr. Rabinowitz unaufhörlich. Seine Stimme war heiser, und er mußte sich in einem fort räuspern.
    »Übrigens, ein alter Freund erwartet Sie schon«, sagte Mr. Rabinowitz, als sie zu dem bewußten Zimmer kamen.
    Ein kleiner weißhaariger Kerl kam auf die Eintretenden zu und umarmte Isaac. »Wie ich mich freu, dich zu sehen!«
    »Auch da, Reuven«, sagte der Großvater.
    »Nett haben Sie's hier, Mr. Melnick«, sagte der Vater. Das Zimmer war sehr eng. Ein Bett war da, ein Tisch mit Lampe und ein Schrank.
    An der Wand hing ein jüdischer Kalender von Morrison & Schiff, und dazu auf dem Schrank die Bibel, der Schnaps und die Spielkarten.
     
    Reuven Melnick bemerkte, wie Isaac beim Anblick des Schnapses die Brauen hob.
    »Mein Sohn, der Doktor, hat mir's verschrieben.« »Großartiger Doktor, dein Solly. Ich möcht, daß er mich untersucht. Wir werden ja Tür an Tür wohnen«, sagte Michaels Großvater.
    Abe Rivkind öffnete schon den Mund, denn es fiel ihm ein, daß Isaac ein anderes Zimmer gewollt hatte, aber beim Anblick der Schnapsflasche machte er den Mund wieder zu. Sie gingen ins Nachbarzimmer, packten sejdes Koffer aus und stellten die Sachen aus dem Weizenflockenkarton auf den Schrank. Nachdem sie fertig waren, standen sie noch ein wenig auf dem Korridor herum. Der braune Linoleumbelag war frisch gewachst und geglänzt. Wohin man auch blickte, nichts als alte Leute, und so überraschte es Michael, drei Jungen in seinem Alter türschlagend von einem Zimmer ins andere tollen zu sehen. Eine Frau in weißer Schwesterntracht kam vorbei und befahl ihnen, aufzuhören, aber sie lachten nur und schnitten ihr Gesichter. Michael zupfte seinen Vater am Ärmel.
    »Was machen denn die da?« flüsterte er.
    »Die wohnen da«, sagte Abe. »Es sind Waisen.«
    Plötzlich fiel Michael ein, daß er seinem Großvater versprochen hatte, bei ihm zu bleiben, falls er je weggehen würde, und er bekam's mit der Angst. Er umklammerte die Hand seines Vaters. »Also, Papa, ich glaube, wir werden jetzt gehen«, sagte der Vater.
    Wieder lächelte der Großvater so eigen. »Wirst du auch einmal vorbeikommen, Abe?«
     
    »Papa, du wirst uns so oft sehen, daß es dir zu dumm werden wird.«
    Großvater griff in die Tasche und zog die zerknitterte Tüte mit dem Ingwerkonfekt heraus. Er nahm sich ein Stückchen, steckte es in den Mund. Dann nahm er Michaels Hand, drückte ihm die Tüte hinein und schloß ihm die Finger darüber. »Geh nach Haus, mei kind«, sagte er. Und Michael samt Vater machten, daß sie hinauskamen, und ließen ihn stehen, wo er war: allein auf dem glänzenden braunen Linoleum.
    Beim Heimfahren war der Vater schweigsam. Aber Michael, sobald er im Wagen war, verlor seine Angst und vermißte seinen sejde. Es tat ihm leid, daß er ihn nicht mehr umarmt und zum Abschied geküßt hatte. Dann machte er die Tüte auf und begann den Ingwer zu essen.
    Obwohl er wußte, daß ihn anderntags sein tasch brennen würde, aß er den Inhalt Stück um Stück auf. Und er tat es zum Teil seines sejde wegen und zum Teil, weil er fühlte, daß er ab jetzt wohl nicht mehr viel Ingwer bekommen werde.

5
    Von Joey Morellos Geburtstagsgesellschaft kam Michaels Schwester Ruthie zerkratzt und weinend nach Hause: sie hatte dort Streit mit einem italienischen Mädchen bekommen. Michaels Gefühle darüber waren gemischt: er freute sich diebisch und ärgerte sich zugleich -
    freute sich, weil ihr geschehen war, was ihr gebührte, ärgerte sich, weil sein Großvater um einer Party willen, die ihr nicht einmal Spaß gemacht hatte, aus dem Haus gejagt worden war.
    Ehe noch eine Woche vergangen war, hatte der Vater den Laden an einen jungen Einwanderer aus Deutschland verkauft, der Licht einleiten ließ und auch nichtkoscheres Fleisch führte. Das Licht verwandelte das Geschäft aus einer geheimnisvollen Höhle in einen langweiligen und schäbigen Verteilungsplatz von Lebensmitteln, und Michael ging nie mehr hin, wenn er nicht geschickt wurde. Aber nicht nur den Laden hatte der Auszug des sejde verwandelt. Zu Hause waren noch auffälligere Veränderungen vor sich gegangen. Dorothy, vor sich hin summend und ihre Kinder in die Wange kneifend, frohlockte lästerlich in ihrer neuen Freiheit: sie hörte auf,

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