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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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amerikanische Flaggen erzeugte. Er war Weißnäher. Voll Zuversicht versicherte er Max, daß auch Buni, wenn sie nur erst zu weinen aufhörte, Amerika lieben würde. Max hörte Bunis Weinen zwei Tage lang, spürte zwei Tage lang den Geruch der Wilensky-Kinder. Als er es nicht mehr ertragen konnte, verließ er die Wohnung und durchstreifte ziellos die East Side, bis er zu einer Synagoge kam. Der Rabbi hörte ihm zu, setzte ihn dann in ein Taxi und fuhr mit ihm zur Vereinigung Orthodoxer Rabbiner. Im Augenblick sei keine Gemeinde vakant, sagte ihm ein mitfühlender orthodoxer Kollege. Aber Kantoren für die hohen Feiertage würden sehr gesucht. Ob er ein chasn sei, ein Kantor? In diesem Fall könnten sie ihn zu der Gemeinde Beth Israel in Bayonne, New Jersey, schicken. Die schul sei bereit, fünfundsiebzig Dollar zu zahlen.
    Als er in Bayonne seine Stimme erhob, sahen die Gläubigen ihn verwundert an. Er hatte die Gesänge schon als kleiner Bub auswendig gelernt, jeder Ton war ihm vertraut wie ein guter Freund.
    In seiner Vorstellung klang die Melodie auch ganz richtig und klar, aber was aus seinem Mund kam, konnte kaum Singen genannt werden. Er sang wie ein dressierter Frosch. Nach dem Gottesdienst winkte ihn der gestrenge Schatzmeister der Gemeinde, ein Mann namens Jacobson, mit drohend erhobenem Finger zu sich heran.
    Jetzt war es zu spät für die schul, einen anderen chasn zu finden. Aber Max erfuhr in einem kurzen Gespräch, daß er für seinen Gesang während der Feiertage keine fünfundsiebzig Dollar bekommen würde, sondern nur zehn und einen Schlafplatz. Für zehn Dollar kann man keine Nachtigall verlangen, sagte Jacobson. Max machte seine Sache als Kantor so miserabel, daß die meisten Besucher der Synagoge ihm aus dem Weg gingen. Nur Jacobson wurde nach ihrem ersten Gespräch freundlicher. Er war ein dicker glatzköpfiger Mann mit blasser Haut und einem goldenen Vorderzahn. Aus der Brusttasche seines karierten Jacketts sahen immer drei Zigarren heraus. Er stellte viele persönliche Fragen, die Max höflich beantwortete. Schließlich entpuppte er sich als schadchen, als Heiratsvermittler.
    »Für Ihre Sorgen gibt es nur eine Lösung: eine gute Frau«, sagte er.
    »»Denn Er schuf sie, einen Mann und ein Weib. Und Er sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.<« Max verschloß sich diesem Argument nicht. Als namhafter junger Gelehrter hatte er erwartet, in eine der wohlhabenden jüdischen Familien von Worka zu heiraten. Und hier in Amerika würde das Leben viel freundlicher aussehen mit einem hübschen Mädchen, das ihm ein Heim bereitete, und mit einflußreichen Verwandten, die eine große Mitgift zur Verfügung stellten. Jacobson aber betrachtete ihn genau und sagte laut auf englisch, das Max, wie er wußte, noch nicht verstand: »Du dummer Junge du, ziehst dich an, als möchtest du die Leute zum Pogrom direkt einladen. Riese bist du auch keiner, kein Mädchen wird sich klein neben dir fühlen.« Er seufzte. »Blatternarbig bist du wenigstens nicht, das ist aber auch das Beste, was man über dich sagen kann.« Dann setzte er Max auf jiddisch auseinander, daß der Markt für polnische Juden in Amerika wesentlich schlechter sei als in Polen. »Tun Sie Ihr Bestes«, sagte Max.
     
    Leah Masnick war fünf Jahre älter als Max, eine Waise, die bei ihrem Onkel Lester Masnick und dessen Frau Ethel lebte. Die Masnicks führten eine koschere Geflügelhandlung. Sie behandelten das Mädchen liebevoll, aber Leah war der Meinung, daß sie selbst in frischgebadetem Zustand nach Blut und Hühnerfedern rochen. Als schon im Land geborene Amerikanerin wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, einen Immigranten zu heiraten, wäre es nicht schon Jahre her gewesen, daß ein Mann sie auch nur angesehen hatte.
    Sie war nicht häßlich, obwohl sie kleine Augen und eine lange Nase hatte, aber es fehlte ihr jeder weibliche Charme; sie wußte nicht, wie man einen Mann anlächelt und wie man ihn zum Lachen bringt. Die Jahre vergingen, und sie fühlte sich immer weniger als Frau. Sie meinte, daß ihre Brüste, flach wie die Pfannkuchen, allmählich noch flacher würden. Die Menstruation wurde unregelmäßig und setzte ein paar Monate lang ganz aus; manchmal stellte sie sich verzweifelt vor, wie sich ihr großer schlanker Körper plötzlich in den eines Jungen verwandeln würde, weil niemand Verwendung für ihn hatte. Sie hatte 2843 Dollar bei der New Jersey Guarantee Trust Company liegen.
    Als Jacobson eines Abends im

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