Der Raben Speise
aus dem Rückteil und verschwand im Schanzkorb.
Als ich mich mit fragendem Blick zu Sir Desmond umdrehte, stand Anselm neben ihm und hielt ein klobiges Stück Holz in den Armen, das zwei armdicke Löcher aufwies sowie Metallrohre und hier und da mit Eisenbändern beschlagen war. Je nach dem, aus welchem Winkel man es betrachtete, wirkte es wie ein Teil eines Prangers oder der Versuch eines kindlichen Riesen, sich eine Hakenbüchse zu basteln.
»Jetzt nimm das hier und schieß auf den zweiten Kürbis. – Und gib deine Pistolen Anselm, damit er Maß nehmen kann.« Mit diesen Worten drückte er mir das unförmige Gebilde in die Hände, während er am Luntenschloss den dicken Docht zum Glimmen brachte. »Nein, nicht so! Du musst deinen rechten Arm durch dieses Loch stecken und mit der Linken hier vorne den Griff anfassen.«
Ich entsprach auch diesem Wunsch und fühlte mich, als hätte mir ein volltrunkener Henkersknecht die Halsgeige um die Schulter montiert.
»Gut, gut. Nun erfass das Ziel und drück auf diesen Stift da, das ist der Abzug. – Aber sichere zuerst deinen Stand.«
Angesichts dieses Monstrums schien mir der letzte der beste Rat zu sein. Deshalb wandte ich dem Ziel meine linke Seite zu, stemmte mich breitbeinig in den Boden und zog nach kurzem Anvisieren ab.
Das Ding brüllte los, als wollte es die Welt verschlingen. Trotz seiner Masse hatte es immer noch einen enormen Rückstoß, der mich ohne Desmonds Warnung womöglich von den Beinen geholt hätte. Am beeindruckendsten aber war die Schusswirkung. Der komplette Kürbis zerplatzte in einem Regen aus Matsch und Mus. In meiner Begeisterung feuerte ich den zweiten Lauf auf die Reste des ersten Ziels ab und erreichte die gleiche Wirkung. Die Mäuse würden ein Festessen haben. Beim Absetzen der Waffe kam mir der Gedanke, ob Mäuse überhaupt Kürbisse mögen, so neuzeitlich sie auch zubereitet sein mochten. Aber was sollte es, ich war kein Sachverständiger für Mäuse, ich war Experte für Mord. Und wegen eben dieser schätzenswerten Qualifikation wusste ich spontan den Wert der soeben gewonnenen Erkenntnisse zu würdigen. Und um so höher stufte ich ihn ein, als ich gewahrte, dass auch das Weidengeflecht der Schanzkörbe auf einer Fläche von etwa einem Meter im Quadrat vollständig zerfetzt, größtenteils gar nicht mehr vorhanden war.
So könnt Ihr Euch unschwer vorstellen, meine klugen Freunde, dass eine solche Waffe ganz in meinem Sinne war. Meine oberste Maxime war es stets, einen Waffengang so schnell und effizient wie möglich zu beenden, wobei das Verletzungsrisiko auf meiner Seite minimiert werden musste. Welch eine Aussicht eröffnete mir Desmond in dieser Hinsicht mit seiner Pistole! Beim Kampf mit mehreren Gegnern in einer Schenke, bei dem eine Schusswaffe sonst kaum von Vorteil ist, konnte ich auf einen Schlag bestimmt drei Angreifer erledigen. Feuerte ich noch ein weiteres Rohr ab, würde ich damit das halbe Gasthaus und alle in ihm befindlichen Gäste zerlegen. Herrliche Aussichten für einen Mann, der seine Gesundheit fast so fanatisch liebte wie die Mehrung seines Vermögens.
Dergestalt beschwingt, machte ich mich mit Hillink unverzüglich auf die Reise, nachdem ich meine Waffen zurückerhalten hatte. Während wir die Pferde einen leichten Galopp anschlagen ließen, rekapitulierte mein Begleiter den Auftrag des Bischofs für mich, wobei er nicht mit seiner eigenen Sicht der Dinge hinter dem Berg hielt und seinen Vortrag mit Vermutungen würzte, über die sich unser gemeinsamer Herr sicher nicht gefreut hätte. Was er mir berichtete, ließ sich in etwa wie folgt zusammenfassen:
Die zur Zeit überwiegend schlechte Laune des fetten Franz war verständlich, denn er sah sich nicht nur der Notwendigkeit ausgesetzt, seine eigene Stadt zu belagern, er war obendrein bis über die Grenzen des Erträglichen verschuldet. Seit Jan van Leyden ihn aus Münster vertrieben und sich selbst mit seinem Wiedertäuferpack dort festgesetzt hatte, war es mit der Herrlichkeit der ehemaligen Perle des Münsterlandes, dieser einst so reichen Hansestadt, nicht mehr weit her. Der Handel lag danieder und die Belagerung verschlang Unsummen. Die Herren Söldner verlangten ihren Lohn, für den Franz von Waldeck nicht nur längst sein eigenes Vermögen aufgebraucht hatte, auch die von seinen Amtsbrüdern aus Köln und anderen Bistümern zusammengebettelten Gelder drohten zu zerschmelzen wie Schnee in der Hölle. Da musste ihn die Sache mit dem Kurier doppelt hart
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