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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Macht- und Finanzposition zu erlangen, wie er sie in der Zeit vor der Vertreibung der Domherren innehatte. Und war diese Hoffnung angesichts der Tatsache, dass Münster schon bald als ausgelaugte Stadt gelten musste, dürftig genug, so war sie immer noch die erfreulichste Variante seiner Zukunftsperspektiven. Denn wehe ihm, die Wiedertäufer würden die Stadt noch länger halten können und allein damit sein höchst unzufriedenes Heer zum Zerfall bringen. Dann würde eine Flutwelle über diesen Teil des Reiches peitschen, die den Bischof samt Katholizismus über Jahrhunderte hinwegspülen würde, und nach ihrem Abebben wäre der religiöse Boden nicht wieder von Mönchen zu beackern, sondern das Anabaptistentum neben dem Protestantismus als dritte Kraft etabliert.
    »Dann will auch ich keine Zeit verlieren und bitte Euch, seid jetzt so gut und zeigt mir die Kammer des Toten. Lasst inzwischen die übrigen Reisenden versammeln. Mit denen will ich anschließend sprechen. – Wenn Ihr obendrein die Güte hättet, meinem Begleiter unsere Unterkunft zuweisen zu lassen und den Platz für die Pferde ...«
    Der Graf machte mit einem Nicken und einem Wink in Richtung Haupthaus deutlich, dass er dies alles schon bedacht habe, und im selben Moment stand ein junger Bursche neben uns, der nach einer Verbeugung Klaas zu den Ställen führte. Mich selbst geleitete der Herr durch die große Halle zu den Treppen.
    »Die Zimmer für die Gäste befinden sich dort im linken Flügel des zweiten Stocks. Das von Conrad liegt am äußersten Ende. Ich hatte es für vernünftig gehalten, die Kammern so zu verteilen, dass die der Treppe zum Abtritt am nächsten gelegenen die meisten Gäste aufnahmen. So werden mögliche nächtliche Störungen auf ein Mindestmaß beschränkt.«
    Wahrlich ein umsichtiger Mann, mein Gastgeber, auf allen Gebieten. Anscheinend hatten vergangene Festivitäten ausreichend Erfahrung mit vom Wein zu Schlafwandlern gemachten Gästen gebracht.
    Wir stiegen die Treppe hinauf und gingen den Gang hinunter. Ich bemerkte, dass sich keine der Türen zu den Gästezimmern abschließen ließen. Mein Begleiter gewahrte meine kritische Miene und beeilte sich zu versichern: »Das habe ich bewusst so gehalten. Es ist in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen, dass einige hilflose Zecher nicht einmal mehr in der Lage waren, die Tür von innen wieder aufzuschließen oder zu entriegeln. Ich will nicht, dass meine Gäste Schaden nehmen, und sei es durch eigene Schuld.« Mit kaum hörbarer Stimme fügte er hinzu: »Und nun das!«
    Wir traten ein und ließen die Hunde vor der Tür. Conrads Zimmer war eher spartanisch denn verschwenderisch ausgestattet. Immerhin verfügte es über einen schmalen Schrank sowie ein Waschgeschirr und einen Kamin, der groß genug war, ein Schwein darin zu rösten. Die Nächte waren bisweilen kühl, sodass es von Vorteil sein konnte, ein Feuer brennen zu lassen. Das Bett war einfach, jedoch mit Leinen bezogen. Und es war leer!
    Ich blieb abrupt stehen. »Verdammt, wohin ist die Leiche verschwunden?«
    »Beruhigt Euch, Herr Frederik, sie ist nicht verschwunden. Da ich nicht wusste, wann ein Bevollmächtigter des Bischofs eintreffen würde, habe ich sie zur Vorsicht in den Keller des Mühlhauses bringen lassen, dort an der Emscher. Ihr seid daran vorbeigekommen und habt mit der Tochter des Müllers gesprochen. Ich habe es vom Turm aus gesehen. Ihr müsst wissen, dort ist es durch das Wasser kälter als in der Burg. – Hat Euch die Ilse denn nichts gesagt?«
    »Doch, doch.« Was war mit meiner Menschenkenntnis los? Begriff ich im fortschreitenden Alter die Kinder nicht mehr und suchte dafür die Schuld bei ihnen statt bei mir selber? Ich entschuldigte mich innerlich bei dem Mädchen.
    »Keine angenehme Aufgabe, die Leiche zu transportieren. Ich war froh, als sich die beiden Afrikaner, das sind die Gehilfen des Kaufmanns Burmann, erboten haben, diesen Dienst zu übernehmen. Sie hatten sich während der Reise mit Conrad angefreundet und es als eine letzte Pflicht angesehen. Die Familie hat sie aus Pietät begleitet. – Und, bevor Ihr fragt, sowohl davor als auch danach ist die Burg sicher verschlossen geblieben, niemand konnte passieren.«
    »Schon gut. Ich habe keinen Zweifel an Eurer Umsicht. Ich hatte Euch nur falsch verstanden.«
    »Ansonsten ist alles so geblieben, wie wir es vorgefunden haben. Nicht einmal das Bett ist neu gemacht worden. Natürlich haben wir auch das Zimmer durchsucht. Es mochte ja sein, dass

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