Der Raben Speise
ihm, dass nach getaner Arbeit jede Menge Suppe auf ihn warten würde. Dann hatte ich ihn endlich aus der Schusslinie.
Als wir alleine waren, fragte ich Hillink: »Was meinst du, ist deine Suppe es wert, dass man darauf wartet?«
Dirk zuckte in gespielter Verlegenheit die Schultern. »Oh, bis zum Leibkoch eines Fürsten werde ich wohl kaum aufsteigen. Beschwert hat sich über meine Künste andererseits aber noch niemand.«
»Dann will auch ich meinen Magen deiner Kunstfertigkeit anvertrauen. Doch wie wäre es mit einer kleinen Verfeinerung? Gibt man nicht, namentlich ihr da oben an der Küste, manchmal etwas Fisch dazu?«
Ich wusste, dass Dirk, selbst ein kluger Kopf, großen Respekt vor meinem Verstand hatte. Jetzt aber sah er mich an, als wäre ich nicht recht bei Trost. »Fisch? Fisch zu einer Erbsensuppe ... buä! Nicht einmal mein Bru...«
Dann machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit, wobei mir das Flackern in seinen Augen und sein verstohlener Blick zur Decke nicht verborgen blieben. »Ach so, ich verstehe. Du meinst, weil mein Bruder diese abartige Essgewohnheit hat, dass sich allen anderen schon vom Zusehen der Magen verbiegt? – Oh nein, er ist damit auch bei uns im Norden die große Ausnahme.«
Ich lächelte ebenfalls. »Nicht nur vom Zusehen, schon vom Riechen. – Du kannst ihm übrigens sagen, dass er herunterkommen soll. Ich hab ihn nämlich gleich beim Betreten des Raumes gewittert, den stinkenden Stockfisch.«
Für einen Moment tat sich nichts, dann hob sich leise knarzend am Treppenende die Luke in der Decke.
»Wie sollte es denn nach eurem Plan weitergehen? Wolltet ihr Johannes und mir heute Nacht den Schädel einschlagen und mit dem Gold verschwinden?«
Die Klappe wurde mit einem Knall zurückgeschlagen und Klaas Hillink kam langsam die Stufen herab. Die eine kleine Armbrust zielte gespannt auf meinen Körper, die andere hing griffbereit an seinem Gürtel. Auch er lächelte, aber es lag wenig Freude darin. »Wie bist du uns draufgekommen?«
»Lass die Suppe nicht verkochen, Dirk, es wäre schade drum. – Oh, da gab es einige Punkte, die auf euch hingedeutet haben. Und wäre mir nicht der Dieb der Seelen dazwischengekommen und diese Mörderfamilie Burmann, dann war die Sache längst ausgestanden.«
Es gefiel mir, unseren Reisegefährten Ossenstert nachzuahmen, indem ich mich bemühte, auf seine Weise zu dozieren. »Primo, auch ich weiß, dass Fisch nicht zur Erbsensuppe passt, und schon gar nicht hier im Westfälischen. Trotzdem war das Letzte, das meine Nase kitzelte, als ich Wullenweber beobachtete und von hinten niedergeschlagen wurde, der Duft einer frischen Erbsensuppe vermischt mit diesem unverwechselbaren Odeur, das nur ein Klaas Hillink verströmt. Secundo, ich habe Wullenwebers Lage nachgestellt. So, wie er verletzt worden war, konnte er mit seiner rechten Hand – die linke war ohne Spuren – weder an die Einstichstelle noch an die Blutlache heranreichen. Et tertio, der angebliche Bundschuh als Hinweis auf den Mörder war kein Bundschuh, sondern viel eher die Fußbekleidung eines Fischers. – Aber hauptsächlich: Wo, zum Teufel, bleibt meine Suppe?«
Klaas war während meiner erhellenden Ausführungen die Treppe herabgekommen und hatte mir gegenüber an der anderen Stirnseite des Tisches Platz genommen. Er und sein Bruder verstanden sich blind. Es bedurfte daher keines besonderen Zeichens, dass Dirk, während Klaas die Armbrust unverwandt auf mich gerichtet hielt, mir von hinten in den Gürtel griff, Rapier und Dolch herauszog und zu unserem Gepäck legte, in dem auch meine beim Reiten hinderlichen Pistolen steckten. Danach brachte er mir zu meinem nicht geringen Erstaunen tatsächlich einen Teller Suppe.
Sie ließen mich auch in Ruhe aufessen. Erst dann richtete Klaas das Wort an mich. »Du kannst dies als deine Henkersmahlzeit betrachten, wenn du nicht auf unseren Vorschlag eingehst.«
Ich war satt und schob den Teller von mir. »Und der wäre?«
»Wir sind keine Unmenschen. Wir haben nichts gegen euch. Ich denke da an die vielen gemeinsamen Jahre, deshalb werden wir dir und Ossenstert sogar fünfzig Gulden abgeben. Dann verschwinden wir, und ihr vergesst uns. Ansonsten nehmen wird alles, nachdem wir euch ... nachdem wir euch daran gehindert haben, uns zu verfolgen. Wie gesagt, es ist nichts Persönliches. Aber solche eine Chance bietet sich nur einmal im Leben.«
»Hm, hm, fünfzig Gulden und unser Leben obendrein. Sehr generös von einem Mörder, vor allem,
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