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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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ließ mir das Bild des toten Wullenweber keine Ruhe, wie er so in seinem eigenen Blut dalag. Irgendetwas hatte mich an dieser Szenerie gleich gestört, doch hätte ich nicht zu sagen vermocht, was. Ich hatte auf dem Ritt nach Crange schon den einen und anderen Gedanken darauf verwandt, ohne zum Kern des Problems vordringen zu können. Die Logik hatte mir nicht weitergeholfen. Es war vielmehr ein ungutes Gefühl aus meinem Innersten heraus, das ich mir in all den Jahren angeeignet hatte, in denen ich mich auf meinen Missionen am Rande des Abgrunds sowie auf des Messers Schneide bewegt hatte. Und genau dieses Gefühl, Logik hin oder her, hatte mich stets vor Fehlern bewahrt, letztlich zum Ziel geführt und mir vereinzelt sogar das Leben gerettet.
    Deshalb gab ich ihm auch jetzt wieder nach und konzentrierte mich mit branntweinbeflügeltem Sinn auf das immer schärfere Konturen annehmende Bild des gemeuchelten Beraters. Und während ich den letzten Schluck Armagnac in meinem Becher kreisen ließ, sodass sich der Kerzenschein in quecksilbrigen Lichtpunkten auf seiner Oberfläche brach, ging endlich auch mir ein Licht auf.
    Ich könnt Euch sicher leicht ausmalen, meine mitdenkenden Freunde, welch entgeistertes Gesicht mein Gastgeber gemacht haben muss, als ich nach diesen erlesenen Tränken plötzlich um einen simplen Krug Wasser ansuchen ließ. Doch auch dieser wurde ohne Umschweife und, weitaus begrüßenswerter, ohne dumme Fragen gebracht.
    Nachdem der Diener wieder gegangen war, verbarrikadierte ich die Tür, leerte einen Teil der Flüssigkeit auf den Boden und zog mich nackt aus. Dann legte ich mich so in die kleine Pfütze, wie ich nach meiner Erinnerung Wullenweber in seinem Blut auf dem Boden des Bauernhauses vorgefunden hatte. Dann versuchte ich, die Finger meiner rechten Hand in das Wasser zu tauchen. Doch so sehr ich mich auch bemühte – ohne die Lage des Körpers zu verändern, wollte mir dies nicht gelingen. Weder reichte ich mit den Fingerspitzen an die imaginäre Wunde in meinem Rücken heran, noch gelang es mir, sie in die Lache auf meiner linken Seite zu stippen, ohne dabei breitflächige Wischer auf dem Untergrund zu hinterlassen, wie sie im Bauernhaus nicht zu entdecken waren. Nach fünf vergeblichen Anläufen und einem beginnenden Krampf in der Schulter gab ich auf.
    Ich trocknete mir die linke Seite ab und legte mich so, wie ich war, ins Bett, die wärmende Decke bis ans Kinn gezogen. Die Grübelei über das soeben gewonnene, aber mit etlichen Vorbehalten behaftete Resultat hielt mich noch lange davon ab, in den Schlaf zu sinken. Denn eines wusste ich nun mit tödlicher Gewissheit: Ich würde auf dem Rückweg äußerst vorsichtig sein müssen.
    Diese Befürchtung beschäftigte mich so, dass ich trotz aller Ermattung nicht in den erholsamen Schlaf finden konnte, sondern mich in einem Gedankenwirrwarr herumwälzte, bis mein Kopfkissen ebenso zermartert war wie mein Gehirn. Da konnte ich genauso gut aufstehen und mich an die Umsetzung der Pläne machen, die für meine Zukunft und in erster Linie dafür, dass es für mich überhaupt eine geben würde, unverzichtbar erschienen.
    Ich kleidete mich notdürftig an und begab mich zur Kammer der Italiener. Die Wache vor der Tür wusste um meine Befugnisse und verzog keine Miene, als ich mit den Worten anklopfte: »Hier ist der Erretter Eures Lebens und Bewahrer Eurer Geheimnisse. Er bietet Euch die Gelegenheit, Euch erkenntlich zu zeigen.«

Versuchung
    Trotz der uns erwiesenen herzlichen Gastfreundschaft fiel mir der Abschied von Crange nicht schwer. Ich wusste, dass, um dieses Drama zu seinem Ende zu bringen, noch ein letzter Akt gespielt werden musste, dem ich nicht ausweichen konnte. Und die unvermeidbaren Dinge dieses Lebens regelte ich am liebsten ohne Umschweife.
    Dirk wollte ebenfalls schnell zurück, um zu sehen, wie es um die Genesung seines Bruders bestellt war. Und sogar Ossenstert, der nicht viel Zeit gefunden haben konnte, sich um die Gunst der Mägde zu bemühen, plädierte mit komisch bekümmertem Gesicht für einen baldigen Aufbruch. Dass er sich dabei gedankenverloren die linke Wage rieb, machte meine Vermutung nicht unwahrscheinlich, dass sein Versuch, seine diesbezüglichen Ambitionen in die Tat umzusetzen, handfest zurückgewiesen worden war.
    Also hatten wir uns aus der Burgküche für die Reise verproviantiert und dann die Abschiedszeremonie, so rasch es die Höflichkeit gestattete, hinter uns gebracht. Ein Tag war allerdings noch ins

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