Der Raben Speise
Land gegangen. Als Entschädigung dafür, dass wir die DellaCroces zu Unrecht festgehalten und dadurch in große Gefahr gebracht hatten, hatten wir sie diesen einen Tag vor uns ziehen lassen, um unser Versprechen einzulösen, die Reise hinter ihnen abzusichern und darauf zu achten, dass sich nicht ein zweiter Dieb der Seelen an ihre Fersen heftete.
Die Burmanns und Jazir waren im Burgverlies wohlverwahrt. Die beiden Landsknechte wussten, dass sie auch bei gutem Sold nicht so ein herrliches Dasein würden führen können wie als Gäste des Herrn von Crange, der sie für ihren Zwangsaufenthalt ebenfalls zu entschädigen trachtete. Die Italiener waren, wie gesagt, schon am Vortag aufgebrochen. Und da ansonsten niemand Neigung zeigte, noch länger zu verweilen, brachen Hillink, Ossenstert und ich mit drei Packpferden, auf denen wir neben unseren Habseligkeiten das in Satteltaschen verpackte Gold mitführten, in Richtung Norden auf.
Es war kühl, aber trocken. Die Straßen waren gut passierbar, und auch dort, wo der Weg aus nichts anderem als einer ausgefahrenen Karrenspur bestand, kam man noch zügig voran. Ich hatte daher die begründete Hoffnung, unser Ziel noch am selben Tag zu erreichen. Das wäre trotz eines schlechten Reiters wie Ossenstert sicher auch gelungen, wäre Hillinks Pferd nicht auf halber Strecke in eine unrunde Gangart verfallen, die sich derart verschlimmerte, dass es schließlich kaum mehr den Schritt halten konnte.
Die Laune des Schicksals wollte es, dass wir zu diesem Zeitpunkt bereits die Stelle passiert hatten, an der wir vor einigen Tagen dem Hinterhalt knapp entronnen waren. Da Hillinks Untersuchung des Pferdes ergeben hatte, dass sein Lahmen von einem tief in die rechte Vorderhand eingetretenen Stachel herrührte und das Tier ohne ausreichende Behandlung und Ruhepause die Ausläufer von Münster nicht erreichen würde, drängte sich uns das Bauernhaus, in dem Wullenweber den Tod gefunden hatte, förmlich auf. Da sich überdies inzwischen am Horizont eine Wand aus grauen Quadern aufgebaut hatte, die sich mehr und mehr verdunkelte, bis schwefelgelbe Blitze aus ihr hervorzuckten, blieb uns gar keine andere Wahl. Dabei konnten wir noch froh sein, das Haus kurz vor dem Herniedergehen eines schweren Wolkenbruchs erreicht zu haben.
Wir hatten es gerade geschafft, die Pferde im Stall unterzubringen und ihre kostbare Fracht in die Stube mitzuschleppen, als eine scharfe Böe die Tür hinter uns zuknallte und der mit einem Donnerschlag einsetzende Sturm an den in ihren Verriegelungen ratternden Läden rüttelte. Gleichzeitig fuhr sensengleich ein Graupelschauer über das Land, der die Festigkeit des Daches einer harten Probe unterzog und mit seinem Trommeln eine Unterhaltung beinahe unmöglich machte. Blitz auf Blitz jagte über den Himmel, bis ihnen kein Getöse mehr folgte und nur noch ein tonloses Wetterleuchten weiter im Westen auszumachen war. Der peitschende Eisregen war zu einem schwindsüchtigen Nieseln verkommen, das auf tückische Weise jeden Reisenden unmerklich, aber unausweichlich bis auf die Haut durchnässen würde. So hatte die Witterung die endgültige Entscheidung für uns getroffen, dass wir Wolbeck erst am nächsten Tag wiedersehen würden.
Während Ossenstert ein Guckloch in die beschlagene Scheibe wischte, in den Zorn der Natur starrte und dabei die Notwendigkeit beklagte, nun einen Tag länger den Beschwernissen einer Reise ausgesetzt zu sein, hatte der praktisch veranlagte Hillink ein Feuer im Kamin entfacht und ein Säckchen mit getrockneten Erbsen aufgetrieben, sodass wenigstens eine warme Mahlzeit für uns gesichert war.
Ich selbst nutzte die Zeit, es mir am leeren Tisch leidlich bequem zu machen und die Szenerie vor mein geistiges Auge zu rufen, die sich mir bei meinem letzten Besuch an dieser Stelle geboten hatte. Wullenwebers Leiche, auf deren Existenz nur noch ein rotbrauner Fleck auf dem Boden hindeutete, und das nun weggewischte Zeichen des Bundschuhs verdrängten dabei alle anderen Bilder. In meinem Sinnieren glitten meine Finger wie von selbst den Maserungen der rohen Holzplatte nach, bis ich mich dabei ertappte, einen unsichtbaren Stiefel auf den Tisch zu zeichnen.
»Tu mir einen Gefallen, Johannes, und sieh nach dem verletzten Pferd. Ich möchte sichergehen, dass morgen die Weiterreise nicht gefährdet ist. Unsere Fracht ist zu kostbar, als dass ich sie lange ohne Bedeckung wissen will.« Bevor er mir schmollend mit einer Einwendung kommen konnte, versprach ich
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