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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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»Pock« von sich, genau, als würde man mit einem harten Gegenstand auf ein hölzernes Brett schlagen. »Pock« ging es und wieder »pock«, die Abstände wurden immer kürzer.
    »Werd endlich wach, du versoffener Kerl! Da ist jemand an der Tür, der nach dir ruft.« Zenobia rüttelte mit Macht an meiner Schulter. Dieses gewaltige Erbeben meines Körpers in Verbindung mit meinem nicht verdauten Albtraum brachten andere nicht verdaute Dinge des gestrigen Abends in Erinnerung, die sich nun, die ganze Nacht über in meinem Magen mariniert in einem fluchwürdigen Bier- und Branntweingemisch, noch einmal der Außenwelt präsentieren wollten. Ich schaffte es gerade noch bis zum Fenster und kotzte in den Hof, ohne genau Ziel zu nehmen. Dabei kam ich mit angeborenem Geschick dem Mann ziemlich nahe, der unermüdlich an die Tür des Seiteneingangs hämmerte, der zu meinen Zimmern führte.
    Vielleicht sollte ich mich an dieser Stelle des kurzen Verschnaufens erst einmal vorstellen. Mein Name ist von dem Kerkhof, Frederik von dem Kerkhof. Ich hatte vom Geheimen Waffenmeister meines Herrn und Bischofs, einem Waliser, irgendwann gehört, dass sich die Agenten des englischen Königshauses auf diese Weise vorstellten, und so machte ich mir einen Scherz daraus, es ihnen gleichzutun.
    Ob ich wirklich so heiße, weiß ich selber nicht. Aber so haben mich die Mönche genannt, die mich als Säugling mit nichts als einer alten Decke auf dem Leib am Eingang des Friedhofs in der Nähe ihres Klosters gefunden hatten. Das ist nun schon über dreißig Jahre her, und in drei Jahrzehnten gewöhnt man sich an mehr und Schlimmeres als an einen fremden Namen.
    Mein Leben zu retten war sicherlich das Beste, was die Mönche je für mich getan hatten. Die Art und Weise, wie sie mich in den folgenden Jahren am Leben erhielten, gefiel mir dagegen weit weniger. Da waren die absolut unchristlichen Stunden, zu denen man bei Tag und Nacht singen und beten, beten und singen musste. Die mit Haus- und Gartenarbeit ausgefüllten Zwischenzeiten waren auch nicht besser. Und das, was sie mir an Bildung angedeihen ließen, eignete ich mir größtenteils im Stehen an, da sie den Hintern ihres unbotmäßigen Schülers regelmäßig so zerbläut hatten, dass das Sitzen meine Konzentrationsfähigkeit sehr beeinträchtigt hätte. Immerhin erhielt ich umfassende Kenntnisse der lateinischen Sprache und würde mich mit so manchem Kirchenmann fließend verständigen können, hätte ich die Neigung dazu verspürt.
    Auch hatte ich im Laufe der Zeit begriffen, wie man den Themen dieser frommen Menschen die ersprießlichen Seiten abgewinnen konnte. Man musste sich einfach nur mit dem genauen Gegenteil befassen. So war zum Beispiel die Beschäftigung mit den Zehn Geboten dann keine allzu schwere Last, wenn man sich ausmalte, was durch sie alles verboten wurde. Es faszinierten mich schließlich die listenreichen Assassinen viel mehr als die tumben Kreuzritter, und es war mir wichtiger zu erfahren, aus welchen Gründen eine Schlacht gewonnen oder verloren wurde, als aus welchem frommen Motiv man in den Krieg gegen die vermeintlich Gottlosen gezogen war. Es war mir gleichgültig, warum der heilige Sebastian an einen Baum gebunden und mit Pfeilen wie ein Hase gespickt war, ich wollte wissen, warum diese menschliche Zielscheibe in ihrem Zustand immer noch atmete.
    Gleichwohl, wäre da nicht dieser alte Landsknecht aus den Bauernkriegen gewesen, der mit seiner Entscheidung für den Bundschuh aufs falsche Pferd gesetzt und mit knapper Not im Kloster Asyl gefunden hatte, ich hätte mich mehr als einmal gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, die Betbrüder hätten mich damals gleich an Ort und Stelle liegen gelassen. Dieser Berthold von Wittringen, ein von seiner Sippe verstoßener Adeliger, muss in mir so etwas wie einen Sohn gesehen haben, den er nie gehabt hatte, denn er gab sich alle erdenkliche Mühe, sein Wissen, Können und seine Erfahrung auf mich zu übertragen. Ich muss heute noch schmunzeln, wenn ich daran denke, wie er mich die Abwehr von zudringlichen Fratern gelehrt hat, denen vor lauter Psalmonieren sämtliche Glieder so steif geworden waren, dass sie ihnen auf eine höchst weltliche Art die gewünschte Geschmeidigkeit zurückgeben wollten. Dieser Tritt zwischen die Beine hat mir auch später öfters aus einer brenzligen Lage herausgeholfen.
    Wir übten hinter den Ställen mit hölzernen Schwertern den Kampf Mann gegen Mann, was der Prior ebenso geflissentlich übersah

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