Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
an dem Tag gewesen waren, als sie die sterblichen Überreste ihrer Mutter in der Leichenhalle identifiziert hatten. Wie ähnlich und wie nahe.
Nachdem sie tagelang Fotos von Mansell Quinn studiert hatte, sah sie jetzt allerdings auch Simons leiblichen Vater in ihm. Er hatte denselben Teint und denselben leicht misstrauischen Ausdruck in seinen Augen.
»Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, sagte Simon. »Entschuldigen Sie die Unordnung. Momentan gibt es im ganzen Haus kein einziges bewohnbares Zimmer.«
»Kein Problem.«
Fry drehte sich um, um zu sehen, wo Ben Cooper abgeblieben war. Er war noch immer nicht bei der Haustür angelangt, obwohl sie nur ein kurzes Stück vom Gehweg entfernt war. Er humpelte unbeholfen über die Stufe und lächelte sie dabei an, als bereitete ihm sein Bein nicht die geringsten Probleme.
»Möchtest du nicht vielleicht doch lieber im Auto bleiben, Ben?«, fragte sie.
»Nein, nein. Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Ich komme schon zurecht.«
Sie bemühte sich, ihre Verärgerung zu zügeln. Cooper hatte regelrecht darum gebettelt, bei dieser Befragung dabei sein zu dürfen, und sie wusste, dass es ein Fehler von ihr gewesen war zuzustimmen. Eigentlich brauchte sie ihn nicht mehr, nachdem sie sich die relevanten Informationen aus seiner Aussage herausgesucht hatte. Sie hatte ihn nur aus Mitleid mitgenommen. Aber wenn er jetzt auch noch zum Märtyrer werden wollte, war das einfach zu viel.
Alle Zimmer in Simon Lowes Haus rochen nach alten Fußbodendielen und feuchtem Putz. Als er sie durchs Haus in ein Hinterzimmer führte, sah Fry, warum: Nirgendwo lag Teppich auf dem Boden, und die Tapeten waren größtenteils entfernt worden. Auf Höhe der Fußbodenleisten ragten Elektrokabel aus der Wand.
»Wohnen Sie schon lange in diesem Haus?«, fragte Fry.
Simon lachte. »Seit zwei Monaten. Sie denken vermutlich, dass man hier nicht wohnen kann, so wie es hier aussieht, aber man gewöhnt sich dran.«
Zumindest gab es Möbel. Ein Dreisitzer-Sofa stand gegenüber von einem Fernseher, und als Simon zwei Tücher entfernte, kamen passende Sessel zum Vorschein.
»Es gibt natürlich noch eine Menge zu tun«, sagte er. »Das Haus muss komplett neu verputzt und verkabelt werden, und
die Küche braucht einen neuen Boden. Sie sollten erst mal das Bad sehen – anfangs konnte man es ohne einen Seuchenschutzanzug gar nicht betreten. Da muss alles rausgerissen werden. Das meiste kann ich allerdings selber machen, wenn ich die Zeit dazu finde.«
Cooper hatte einige Schwierigkeiten, sich in einem der Sessel niederzulassen, da er sein Bein nicht richtig abwinkeln konnte. Fry hoffte, dass sie ihm nicht beim Aufstehen würde helfen müssen, wenn es Zeit war, zu gehen. Vielleicht würde sie es vorziehen, ihn einfach dort zu lassen.
»Dann wohnen Sie also allein hier?«, fragte Cooper.
»Vorerst ja. Aber ich bin verlobt, und meine Verlobte und ich wollen nächstes Jahr im April heiraten. Wir hatten schon eine Zeit lang gespart, und als dann dieses Haus zum Verkauf stand, haben wir zugeschlagen. Es hat drei Schlafzimmer, also können wir jederzeit eine Familie gründen. Wir hatten großes Glück.«
»Ja, das hatten Sie. Aber Sie bürden sich auch eine Menge damit auf, nicht wahr?«
»Ich bin fast neunundzwanzig«, entgegnete Simon. »Es wird Zeit, dass ich sesshaft werde.«
Fry hörte ein Geräusch in der Küche. »Ist Ihre Verlobte hier?«
»Nein, das ist Andrea. Ich nehme an, es ist in Ordnung, dass meine Schwester hier ist?«
»Ja, sicher.«
Simon warf einen Blick in Richtung Küche. »Wissen Sie, wir standen uns schon immer sehr nahe. Na ja, vielleicht nicht immer. Als Teenager war ich nicht glücklich darüber, eine kleine Schwester zu haben. Doch nach der Sache mit unserem Vater wurde unser Verhältnis sehr eng. Und jetzt, nach all dem, na ja...«
»Es gibt Zeiten, in denen man die Unterstützung seiner Familienangehörigen braucht«, sagte Cooper.
»Genau.«
Fry sah Cooper an, doch er schenkte ihr keinerlei Beachtung. Er blickte sich im Zimmer um, als wollte er sich den gesamten Inhalt einprägen. Wenn er sich leichter hätte bewegen können, wäre er vermutlich aufgestanden, um die Videos und CDs zu zählen und die Zeitschriften in dem Regal neben dem Fernseher zu inspizieren.
»Mr. Lowe«, sagte sie, »ich muss Ihnen ein paar wichtige Fragen stellen.«
Simons Miene verdunkelte sich. »Dann schießen Sie los.«
Andrea betrat wie auf Kommando das Zimmer und setzte sich neben ihren
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