Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
berechnet, dass es noch mindestens tausend Jahre dauern würde, bis sie zusammenträfen, falls es überhaupt jemals dazu kam.
Cooper suchte nach Worten, die ihre Gedanken vom Thema ablenken und vielleicht das gegenseitige Verständnis wiederherstellen würden, dem sie hin und wieder so nahe waren.
»Wie geht’s eigentlich Angie?«, erkundigte er sich.
Fry rutschte von ihrem Schreibtisch. Sie kam langsam auf ihn zu, beugte sich zu ihm vor und legte ihm eine Hand leicht auf den Ärmel seines Hemdes, die sich auf seiner Haut anfühlte wie ein Brandeisen.
»Ben, hast du zufällig irgendwelche weiteren Informationen aus Mansell Quinn herausbekommen? Irgendwas, das uns helfen würde, seinen Namen reinzuwaschen und zu beweisen, dass Alan Proctor derjenige war, der Carol getötet hat?«
»Nein«, erwiderte Cooper, »das hab ich nicht.«
Sie starrte ihn an, und er wusste noch immer nicht, was sie dachte.
»Okay.«
Natürlich gab es einen Menschen, dessen Gedankengänge Cooper mühelos verstand: seinen Vater. Er und Joe Cooper waren sich sehr ähnlich, wie alle immer wieder feststellten. Sie
glaubten beide an eine zweite Chance. Für Mansell Quinn und Alan Proctor war es zu spät. Aber hatte Joe Cooper versucht, die Anwesenheit eines fünfzehnjährigen Jungen am Tatort zu vertuschen? Es schien durchaus möglich, dass jemand die Musik und das Licht im ersten Stock ausgeschaltet und die Cola flasche abgewischt hatte. War diese Mühe umsonst gewesen? Cooper hoffte nicht. Und er war sich nicht sicher, ob er das, was sein Vater vor vierzehn Jahren getan hatte, ungeschehen machen würde, wenn er dazu in der Lage wäre.
Er spürte einen plötzlichen Schauer seine Wirbelsäule hinauf- und an seinem Nacken entlangkriechen, als hätte hinter ihm jemand eine Kühlschranktür geöffnet, und er drehte sich zum Fenster um. Es stand offen, aber der Luftzug, der hereinkam, war keine eisige Brise. Was er gespürt hatte, war ein Windhauch aus einer Welt, in der es viel kälter war als in Edendale während des feuchten Sommers.
Vom Fenster aus konnte man über den Parkplatz blicken, und Cooper sah Simon Lowe zu seinem Auto gehen. Vermutlich war er noch eine Weile aufgehalten worden, nachdem er seine Aussage zu Protokoll gegeben hatte. Andrea wartete im Auto auf ihn und stieg auf der Beifahrerseite aus, um ihm entgegenzugehen, als er auftauchte. Auf der Rückbank des Wagens saß eine weitere Frau, die Cooper nicht erkannte. Seine Verlobte Jackie vielleicht? Die beiden wollten im April kommenden Jahres heiraten und hatten noch Unmengen an Arbeit in ihrem neuen Haus zu erledigen, wenn sie planten, eine Familie zu gründen.
»Diane«, sagte Cooper, »hast du eigentlich den Lehrer ausfindig gemacht, der Simon Lowe erwischt hat, als er aus der Schule verschwinden wollte, und ihn wieder zurückgeschickt hat?«
»Nein«, erwiderte Fry unbestimmt. »Er hat mir zwar den Namen des Mannes genannt, aber der ist schon vor Jahren in den Ruhestand gegangen und anschließend an einem Herzinfarkt
gestorben. Komisch – das hat mich an den Kollegen deines Vaters erinnert, an Police Constable Netherton. Warum fragst du?«
»Ach, nicht der Rede wert. Das war einfach nur das letzte ungeklärte Detail.«
»Es ist gut, ungeklärte Dinge zu klären. Aber in einer Hinsicht hast du dich getäuscht, Ben.«
»Und die wäre?«
»Nichts von all dem hatte irgendwas mit deinem Vater zu tun. Damit wäre ein Problem aus der Welt geschafft.«
»Ja, Diane.«
Doch Cooper war anderer Ansicht. Für eine kurze Zeit war sein Vater wieder in sein Leben getreten, um ihn daran zu erinnern, dass er es mit Menschen zu tun hatte und nicht mit einer Zahlenfolge und Chromosomenstellen in einem DNA-Profil. Er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass Sergeant Joe Cooper sich gerade eben höchstpersönlich hinter ihn geschlichen und ihm diesen eisigen Hauch in den Nacken geatmet hatte. Sein Vater hatte ihm mit einer einzigen kalten Berührung wortlos eine Botschaft übermittelt.
Cooper beobachtete, wie Simon und Andrea einen Augenblick lang neben dem Auto standen. Sie berührten sich nicht, sondern sahen sich wortlos in die Augen und kommunizierten miteinander, wie nur Geschwister es können. Dann umarmten sie sich so fest, dass es wehtun musste.
Schließlich stiegen sie ins Auto, setzten vorsichtig zwischen den Polizeifahrzeugen zurück und fuhren hinaus auf die Stra ße nach Edendale. Simon beschleunigte ein wenig zu stark, als hätte er Angst gehabt, doch keine zweite
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