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Der Rache Suesser Klang

Der Rache Suesser Klang

Titel: Der Rache Suesser Klang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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Minuten verstrichen in atemloser Stille. Dann öffnete sich die Schranktür.
    Er drängte sich in den hintersten Winkel, kniff die Augen zusammen, presste die Lippen aufeinander. Versuchte, kein Geräusch zu machen. Eine Schwimmweste wurde fortgezogen. Dann noch eine. Und noch eine. Der muffige Geruch war weg, und er spürte frische Luft auf dem Gesicht.
    Er zwang sich, die Augen zu öffnen. Ein Wimmern steckte in seinem Hals, als er aufblickte.
    Sie war groß, größer als Cheryl. Massiger. Ihre Haare eine wilde Mähne.
    Ihre Augen verrückt. Weiß.
Sie hat weiße Augen.
    Ihre Lippen waren zu einem Lächeln verzogen, einem grausamen Lächeln, und er wollte schreien.
    Aber er tat es nicht. Denn ihr T-Shirt war voller Blut, und die Pistole in der Hand war auf ihn gerichtet.

Eastern West Virginia
    Donnerstag, 29. Juli, 3.30 Uhr
    Das schrille Klingeln ihres Handys ließ sie augenblicklich erwachen. Sie hatte einen leichten Schlaf. Das war nicht immer so gewesen, aber das Gefängnis veränderte einen nachhaltig. Und obwohl sie schon sechs Monate draußen war, war dies eine lästige Angewohnheit, die geblieben war. Obwohl sie schon sechs Monate draußen war, dachte sie beim Aufwachen noch immer als Erstes ans Gefängnis.
    Und allein dafür musste jemand bezahlen.
    Nur ihr Bruder Bryce kannte ihre Handynummer, und doch blieb sie misstrauisch. »Ja?«
    »Ich bin’s.«
    Sie setzte sich auf und verfluchte ihren steifen Nacken. Die Rückbank eines Kleinwagens war nicht gerade komfortabel, aber sie hatte schon in schlechteren Betten geschlafen. »Sind sie zu Hause?« Ihr Herzschlag beschleunigte sich, ihre Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Die Vaughns waren zurück. Hatten das Chaos in ihrem Haus entdeckt. Das leere Bett. Den Zettel auf dem Kopfkissen. Das Geschenk im Schuppen. Sie würden sich entsetzlich fürchten. Sie würden weinen. Sie würden machtlos sein.
    Machtlos.
Das war nicht annähernd genug, aber es war ein verdammt guter Anfang.
    »Ich b-bin n-nicht s-sicher«, stotterte Bryce furchtsam.
    Ihr Triumph löste sich rasch auf. »Was soll das heißen?«, fragte sie mit beherrschter Stimme. Wenn er die Sache verdorben hatte, würde er weit mehr Grund haben, sich zu fürchten. »Wo bist du?«
    »Im Gefängnis.« Sie schloss die Augen. Rief sich in Erinnerung, dass das Prepaid-Handy, das sie in Maryland gekauft hatte, nicht zurückzuverfolgen war. Dennoch brachte sie der Gedanke, dass er sie aus dem Gefängnis anrief, zum Kochen. »Die haben mich verhaftet, weil ich einen Laden ausgeraubt habe. Du musst mich hier rausholen.«
    Ihr Lachen war kalt. Sie standen kurz davor, Millionen zu verdienen, und er raubte einen gottverdammten Laden aus. »Du willst, dass ich dich raushole? Du machst Witze.«
    »Verdammt noch mal«, zischte er. »Ich hab dich angerufen, weil … du weißt schon. Ich hätte auch Earl anrufen k-können.«
    Er hatte sie angerufen, weil er nicht länger auf seinem Posten war. Weil er nicht länger das Haus der Vaughns beobachtete, um ihr Bericht zu erstatten. Weil er ihr nicht mehr sagen konnte, ob sie nach Hause gekommen waren und ob sie die verdammten Bullen gerufen hatten.
    »Du bist erst siebzehn. Die hauen dir auf die Finger und stecken dich in die Jugend.«
    »Nein!« Bryces Flüstern war voller Angst. »Sie haben gesagt, die wollen mich wie einen Erwachsenen behandeln. Ich komme in den Knast. B-bitte«, flehte er. »Hol mich doch hier raus.«
    Dass sie und Bryce dasselbe Erbgut hatten, kam ihr unmöglich vor. Und selbst die Tatsache, dass dem so war, würde sie nicht dazu bringen, jetzt den Kopf für ihn hinzuhalten. Aber sie musste ihn aus dem Gefängnis herausholen, bevor irgendein windiger Anwalt ihn dazu veranlasste, alles auszuspucken. Dass Bryce seine stotternde Klappe halten würde, war nicht zu hoffen; er würde auch unter überaus zivilisierten Verhörmethoden plappern wie eine alte Klatschtante. Bei Onkel Earl aufzuwachsen hatte sein Hirn zersetzt. Bei Tante Lucy aufzuwachsen hatte seinen Willen zersetzt. Es war eine Schande, dass sie sich nicht selbst um seine Erziehung hatte kümmern können, aber sie war … indisponiert gewesen. Inhaftiert. Und nun war auch Bryce auf dem Weg dorthin. Ihr Vater musste im Grab rotieren wie ein Hähnchen am Spieß.
    »Ich rufe Earl an«, sagte sie barsch. »Ich behaupte, ich sei eine Angestellte im Gefängnis.« Dass ihr Onkel ihre Stimme erkennen würde, war unwahrscheinlich, da sie seit Jahren nicht miteinander gesprochen hatten.

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