Der Rache Suesser Klang
zwei Jahren überfallen hatte. »Ich weiß.« Sie blickte mit blitzenden Augen auf. »Willst du mich rauswerfen?« Ein Hauch Trotz hatte sich in ihre Stimme geschlichen.
»Natürlich nicht.« Dana sank auf einen der Küchenstühle. Sie war so erschöpft. »Meine Güte, Evie.« Dass sie das überhaupt gefragt hatte. Verdammt.
Eine ganze Weile herrschte Schweigen, dann ergriff Evie wieder das Wort. »Um noch einmal auf meine ursprüngliche Frage zurückzukommen – wo sind sie?«
»Nicht aufgetaucht. Ich habe gut drei Stunden gewartet, aber aus keinem der Busse ist jemand gestiegen, auf den ihre Beschreibung passte.« Dana rieb sich müde den Nacken. Sie fragte nie, wie die Frauen vom Hanover House erfuhren. Sie wusste, dass Informationen im Umlauf waren. Krankenschwestern, Polizisten, ehemalige Opfer machte sie publik. Manchmal riefen Frauen von außerhalb an, und dann wartete Dana an der Busstation auf sie, aber die Hälfte der Anruferinnen erschien nicht. Wie in dieser Nacht. »Aber es war keine totale Zeitverschwendung.« Sie zog einen Mundwinkel hoch. »Ich habe einen unsittlichen Antrag erhalten. Ein Typ hat mir fünfzig Dollar angeboten.«
»Damit hätten wir die Telefonrechnung bezahlen können«, sagte Evie unbekümmert und erhob sich. »Wenn du Dylan nimmst, mache ich dir Kaffee. Du siehst aus, als könntest du welchen gebrauchen.«
»Danke.« Sie legte sich das Baby an die Schulter und sah zu, wie Evie mit einer Hand mit den Kaffeefiltern hantierte. Der brutale Überfall hatte nicht nur dafür gesorgt, dass Evie nicht mehr lachen konnte und ihr Gesicht voller Narben war, sondern hatte auch die Nerven in ihrer rechten Hand schwer beschädigt. Nach drei Operationen waren die Narben zwar nicht mehr so stark sichtbar, aber ihre Hand würde niemals wieder voll einsetzbar sein. Dennoch bat Evie nie um Hilfe. Und nahm auch keine an, wenn man ihr sie anbot.
Evie löffelte Kaffeepulver aus der Dose. »Ich dachte, Caroline hätte heute Busdienst.«
Caroline war Danas beste Freundin. Ihre hochschwangere, beste Freundin. Und sie war eine Erfolgsgeschichte des Hanover House, denn es war ihr gelungen, sich mit ihrem Sohn Tom ein wundervolles Leben einzurichten. Sie war inzwischen seit zwei Jahren verheiratet und würde in sechs Wochen das Baby ihres liebevollen Mannes Max bekommen. Es gab nicht viele solcher Geschichten in diesem Umfeld.
»Nein, nicht mehr. Mutterschutz.«
»Und was sagt sie dazu?«, fragte Evie mit ironischem Unterton.
»Das Übliche. Dass eine Schwangerschaft keine Krankheit und sie so gesund wie ein Pferd sei. Ich habe ihr gesagt, sie soll es einfach aufgeben. Max hat gedroht, sie ans Bett zu ketten.«
»Was wahrscheinlich die Methode war, wie sie das Kind gemacht haben«, witzelte Evie, und Dana grinste.
»Wahrscheinlich. Jedenfalls bin ich diejenige, die für die nächsten sechs Monate oder länger Busdienst hat.« Dass Evie es tat, war leider unmöglich. Sie hatte es einmal versucht, und es war für keinen der Beteiligten eine angenehme Erfahrung gewesen. Das Kind der Frau, die sie abholen wollte, hatte Evie gesehen und war in Tränen ausgebrochen. Die Frau weigerte sich, mit Evie zu gehen, also hatte Dana selbst zur Haltestelle fahren müssen. Seitdem ging Evie niemals ohne eine dicke Schicht Make-up im Gesicht vor die Tür, und obwohl Dana fand, dass es die ganze Sache noch schlimmer machte, wusste sie doch, dass die Schminke Evie eine gewisse Sicherheit gab. Und daher sagte sie nichts.
Evie schien sich ebenfalls an das eine Mal am Busbahnhof zu erinnern, denn sie starrte blicklos auf den tröpfelnden Kaffee.
Dana beschloss, das Thema zu wechseln, und deutete mit dem Kopf auf den Laptop. »Was willst du machen?«
»Kinderpsychologie und Statistik. Letzteres brauche ich für einen Abschluss.«
Dana riss die Augen auf. »Du willst Psychologie als Hauptfach machen?« Der Gedanke daran, dass Evie in ihre Fußstapfen trat, erfüllte sie einerseits mit Stolz, andererseits mit banger Furcht.
»Ich hab’s überlegt. Ich würde gern mit Kindern arbeiten. Und ja«, setzte sie säuerlich hinzu, »ich weiß sehr gut, dass ich mich nicht ewig hier verstecken kann. Die Kinder werden kaum zu mir kommen.« Evie rupfte die halb gefüllte Kanne aus der noch tropfenden Maschine und schenkte Dana eine Tasse ein. »Ich arbeite dran.«
Dana tauschte das Baby mit einem Seufzen gegen den Becher ein. »Ich weiß, Liebes.« Sie hätte Evie sagen können, dass die Narben nicht mehr so schlimm waren, und
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