Der Rache Suesser Klang
für sich haben.
Und wenn sie aus Maryland zurückkehrten, würden Earl und Lucy und sie Wiedersehen feiern. Ein Wiedersehen, das sie mit Begeisterung geplant hatte. Sie nahm ihr Telefon und wählte Earls Nummer. Er würde noch schlafen und benebelt abnehmen. Keine Chance, dass er ihre Stimme erkannte.
Beim ersten Klingeln wurde abgehoben. »Ja?«, erklang eine tiefe Stimme.
Sue erstarrte, jeder Muskel bis zum äußersten angespannt. Die Stimme war nicht schläfrig oder benebelt. Die Stimme war auch nicht Earls. Sie sagte nichts, brachte kein Wort heraus. Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte leise.
»Bist du’s, Bryce?«
James.
Sue gefror das Blut in den Adern. Unmöglich. James war tot. Sie selbst hatte ihm die Kehle aufgeschlitzt. Aber offensichtlich nicht gründlich genug.
»Nicht Bryce?«, sagte er freundlich. »Dann musst du Sue sein. Sue, wie geht’s dir denn so?« Seine Stimme verhärtete sich. »Ein Rat von mir und ganz umsonst. Wenn du jemanden umbringen willst, dann vergewissere dich, dass er wirklich tot ist. Und? Willst du mit deinem Onkel Earl reden?« Ein Stöhnen drang durch das Telefon. »Tja, leider kann er gerade nicht rangehen.«
Sue knirschte mit den Zähnen. »Du Dreckschwein. Finger weg von ihnen.«
»Na, na, liebe Sue, du als brave kleine Nichte. Ich bin wirklich schockiert.« So klang er nun wirklich. Schockiert. »Du willst Onkel und Tante, die du verabscheust, beschützen?«
»Nicht beschützen, du Arschloch«, zischte sie.
Finger weg, weil sie mir gehören.
Um sie zu töten. Um sie weinen und schluchzen und stöhnen zu hören. Sie hatte Pläne mit ihnen.
Dieser Mistkerl.
James unterdrückte ein Lachen. »Du wolltest Onkel und Tante umbringen, so wie du die Frau in Florida umgebracht hast. Aber diesmal bin ich dir zuvorgekommen. Ach, Sue, du bist köstlich.«
Er wusste von dem Mord in Florida. James Lorenzano wusste zu viel. Sie hätte sich tatsächlich vergewissern müssen, dass er tot war, aber jemand war gekommen, und sie hatte rasch verschwinden müssen. Und jetzt war er gewarnt.
Verdammt!
Sie musste ihm aus dem Weg gehen. »Danke.«
»Gern geschehen. Und vergiss nie, dass ich viel mehr über dich weiß als du über mich. Ich finde dich, Sue. Du weißt es. Und wenn es so weit ist, bist du tot.«
Ein kalter Schauder schüttelte sie. Ja, er konnte sie finden. James wusste, wie man Leute aufstöberte. Deshalb hatte sie ihn ja engagiert. Dann richtete sie sich entschlossen auf. »Nein, du wirst mich nicht finden.«
Sie unterbrach die Verbindung und atmete ein paar Mal tief durch, um sich zu beruhigen. James lebte. Das war nicht leicht zu verdauen. Und er war bei Earl und Lucy. Was bedeutete, dass sie nicht nur darauf verzichten musste, die beiden sich vor Schmerzen winden zu sehen. Sie brauchte jetzt auch einen neuen Unterschlupf.
Annehmen, anpassen, verbessern.
Sie würde ihr Ziel nicht ändern. Es musste Chicago sein. Keine andere Stadt konnte diese ersetzen. Kein anderer Ort bedeutete Rache.
Also musste sie sich dort ein Versteck suchen. Nur lange genug, bis sie ihr Geld und ihre Rache hatte. Mit dem Geld konnte sie das Land verlassen und James entkommen.
Die Rache … nun, die war unerlässlich. Ohne sie gab es wenig Grund, am Leben zu bleiben.
Sie musste sich irgendwo verstecken, wo James sie niemals suchen würde. In einer Hinsicht hatte er nur allzu Recht. Er wusste mehr von ihr als sie von ihm. Er würde all ihre ehemaligen Bekannten aufsuchen, von denen die meisten ihre eigene Mutter für ein paar lächerliche Kröten verkaufen würden, also konnte sie niemanden anrufen. Noch nicht jedenfalls. Sie musste den Jungen verstecken, denn ohne ihn würde der ganze Plan in sich zusammenfallen. Sie blickte auf ihre Geisel herab und zwang ihren Verstand zu arbeiten. Und wie immer formierte sich in ihren Gedanken ein neuer Plan.
Zum Glück wusste James nicht alles.
Im schwachen Licht des Kofferraums sah sie auf die Uhr. Sie hatte einiges zu tun. Mit beiden Händen packte sie Rickmans Hemd und zerrte sie ohne Probleme aus dem Wagen. Die steinharten Muskeln waren ungefähr das einzig Gute, was sie aus dem Hillsboro Frauengefängnis mitgebracht hatte. Nun, das stimmte so auch nicht ganz. Wäre sie nicht in Hillsboro gewesen, hätte sie niemals Tammy kennen gelernt, von der James eindeutig nichts wissen konnte.
Sie schleifte Rickman vom Weg und in den Wald hinein, während sie an ihre Zellengenossin dachte. Fünfundzwanzig Jahre hatte man Tammy dafür aufgebrummt,
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