Der Rächer von Antares
nicht nur zur eigenen Ernährung ausreichen, sondern auch groß genug sein, um andere wichtige Dinge einzukaufen. Ich warf einen Blick auf den Felsentempel mit den gekalkten Wänden. Die Kuppel, ein geschickt abgestütztes Bauwerk aus Lehm, schimmerte hell in der Sonne. Welcher Triumph für die Yuccamots, wenn sie ihr Gotteshaus mit Bronzeplatten bedecken konnten, die in der Sonne funkelten! Welche Überlegenheit gegenüber den anderen Dörfern der Inseln! Welcher großartige Dienst an Havil dem Grünen!
Ich kenne den großen Tempel Havils des Grünen in Ruathytu. Ich lasse mich nicht von Gefühlen leiten, wenn ich die Bauwerke jener betrachte, die sich meine Feinde nennen. Ich verspürte damals großen Abscheu vor dem Grün, das ist Ihnen bekannt. Havil der Grüne war der Gott der hamalischen Staatsreligion. Doch ich hatte voller Freude erkannt, daß die wahre und aufgeklärtere Religion Opaz', des herrlichen Zwillingsgeistes, auch in Hamal Fortschritte machte. Zugleich breitete aber auch sich der abscheuliche Kult um Lem den Silber-Leem aus, mit düsteren Ritualen, mit Blutriten und Opfern. Sogar ich, Dray Prescot, Krozair von Zy, mußte eingestehen, daß der große Tempel Havils des Grünen in Ruathytu sehr eindrucksvoll war.
»Ich wünsche dir alles Gute, Otbrinham.«
»Möge Havil der Grüne für den Rest deiner Tage über dir leuchten, Notor.«
Ich lächelte nicht. Dieser kleine Yuccamot hatte keine Ahnung, daß ich seit meiner Taufe im Heiligen Teich des Zelph-Flusses im fernen Aphrasöe ein tausendjähriges Leben erwarten durfte. Ich grüßte ihn förmlich und entfernte mich. Am Boot war Hikdar Insur ti Fotor damit beschäftigt, die Verladung der Vorräte zu beaufsichtigen.
»Wie lange führst du schon den Titel eines Waso-Hikdars?« {*} fragte ich.
»Drei Jahre, mein Prinz.«
Ich überlegte. In der vallianischen Marine war mein Einfluß gering, doch kannte ich den alten Sonomon Barcash, den Kov von Ava. Er war ein führender Admiral, Hyr-Jen-Admiral geheißen, und schuldete mir einen Gefallen. Außerdem hatte dieser talentierte junge Mann eine Beförderung verdient.
Mit Sepiatinte schrieb ich einen kurzen Brief an Sonomon Barcash, machte ihn auf den Waso-Hikdar Insur aufmerksam und schlug vor, ihn mindestens zum Shiv- und vielleicht sogar zum Shebov-Hikdar zu befördern.
Ich verriet Insur nichts vom Inhalt des Briefes. Er verstaute das Stück Tuch in seinem Lederbeutel.
An dieser Stelle möchte ich meinem Bericht einmal kurz vorgreifen: Ich erfuhr später, daß Kapitän Ehren und Hikdar Insur auf eigene Initiative eine Kopie meiner Notizen über die hamalischen Voller gemacht hatten, so daß nun jeder der beiden eine Ausfertigung bei sich trug. Als meine Delia davon erfuhr und meine Wünsche vernahm, setzte sie sich dafür ein, so daß Insur sogar zum Ord-Hikdar befördert wurde.
Als ich Kapitän Ehren sagte, mir sei daran gelegen, daß auch Wersting Rogahan bedacht würde, wenn er in seiner Mannschaft Beförderungen aussprach, verzog der gute Kapitän das Gesicht.
»Wahrlich, mein Prinz, dieser Frechdachs hat das Glück des fünfhändigen Eos-Bakchi! Nun gut, ich werde ihn deinen Wünschen gemäß befördern. Aye, Majister! Ein Schandmaul hat er, doch der Lohn seiner Unverschämtheit ist wohlverdient!«
Insur nahm ein weiteres Stück Stoff in Verwahrung, worin ich Delia auf Kapitän Lars Ehren hinwies. Sie wußte so gut wie ich, daß loyale Freunde in den bevorstehenden Auseinandersetzungen in und um Vallia von größter Bedeutung waren. Kapitän Ehren hatte die Stufenleiter des Hikdar-Ranges fast erklommen, so daß eine weitere Beförderung all ihre Geschicklichkeit erfordern würde. Aber natürlich gelang ihr das Werk: Lars Ehren übersprang die erste Stufe des Jiktar-Ranges – er wurde sofort zum Dwa-Jiktar ernannt. Ich freute mich sehr, als ich später – viel später – davon erfuhr ...
Wie Sie hören werden, lagen zwischen diesem glücklichen Augenblick und der Gegenwart viele Abenteuer, viele törichte Aktionen und große Gefahren.
Sollte Ihnen nicht klar geworden sein, daß ich durchaus begriff, wie egoistisch ich bei der Verteilung solcher Gunstbeweisungen war, dann haben Sie meinen bisherigen Abenteuern nicht richtig zugehört. Es befriedigte mich sehr, meinen Freunden zukommen zu lassen, was ihnen zustand. Freunde zu finden fällt mir schwer, und ich schätze Freundschaft über alles. Dabei kommt es nicht darauf an, wie lange ich einen Menschen schon kenne. Vielleicht ist die
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