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Der Raecher

Titel: Der Raecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Zusammenfluss der Flüsse Saigon und Thi Tinh und den Boi-Loi-Wäldern an der kambodschanischen Grenze. Diese Befehlsstände zu finden, die Führungskader auszuschalten und die gewaltige Informationsmenge in die Hände zu bekommen, die da unten verborgen sein musste - das war das Ziel, dessen Erreichen von unschätzbarem Wert gewesen wäre.
    Tatsächlich befand sich die Kommandozentrale unter den Ho-Bo-Wäldern im Landesinneren am Saigonfluss und wurde nie gefunden. Doch jedes Mal, wenn die Panzerdozer oder die Rome Plows einen Tunneleingang freilegten, stiegen die Ratten in die Hölle hinab und setzten die Suche fort.

    Die Eingänge waren immer vertikal, und darin lag bereits die erste Gefahr. Stieg man mit den Füßen voran hinunter, bot man die untere Körperhälfte schutzlos jedem Vietcong dar, der möglicherweise in einem Seitenstollen lauerte. Mit Freuden rammte er dem baumelnden GI einen angespitzten Bambusspeer in den Unterleib oder Bauch und verschwand dann rückwärts in die Dunkelheit. Wurde der Verwundete endlich nach oben gezogen, wobei der Schaft des Speers an den Wänden entlangschrappte und die vergiftete Spitze die Eingeweide aufschlitzte, hatte er nur noch minimale Überlebenschancen.
    Kletterte man mit dem Kopf voran nach unten, riskierte man, den Speer, das Bajonett oder eine aus nächster Nähe abgefeuerte Kugel in den Hals zu bekommen.
    Das Sicherste war also, langsam hinabzusteigen, sich die letzten anderthalb Meter fallen zu lassen und bei der geringsten Bewegung in den Tunnel zu feuern. Doch der Boden des Schachts konnte aus Zweigen und Blättern bestehen, unter denen sich eine Fallgrube mit Punjistäben verbarg. Das waren fest verankerte Bambusspeere, ebenfalls mit vergifteten Spitzen, die durch die Sohle jedes Kampfstiefels drangen, den Fuß durchbohrten und am Rist wieder austraten. Da sie mit Widerhaken versehen waren, ließen sie sich nur schwer herausziehen. Auch das überlebten nur wenige.
    War man einmal im Tunnel und kroch vorwärts, konnte die Gefahr hinter der nächsten Biegung in Gestalt eines wartenden Vietcong lauern, doch wahrscheinlicher war, dass man auf eine Falle stieß, von denen es unterschiedliche gab. Sie waren raffiniert und mussten unschädlich gemacht werden, bevor man weiterkriechen konnte.
    Auch ohne Zutun des Vietcong gab es Schrecken genug. Die Langzungenfledermaus und die schwarzbärtige Glattnase, ein Grabflatterer, waren Höhlenbewohner und schliefen tagsüber in den Tunneln, wenn sie nicht gestört wurden. Das taten auch die Riesenkrabbenspinnen, von denen die Wände derart wimmelten,
dass sie zu vibrieren schienen. Noch zahlreicher waren die Feuerameisen.
    Keines dieser Tiere war lebensgefährlich. Diese Ehre gebührte allein der Chinesischen Baumviper, deren Biss innerhalb von dreißig Minuten zum Tod führt. Die Falle bestand in der Regel aus einem Bambusrohr, das in der Decke eingelassen war und kaum mehr als zwei Zentimeter nach unten herausragte.
    Die Schlange steckte mit dem Kopf nach unten in dem Rohr und war schlecht gelaunt, denn ein Kapokstöpsel am unteren Ende hinderte sie an der Flucht. Durch den Stöpsel war ein Stück Angelschnur gefädelt, das durch ein Loch in einem Pflock an der einen Wand gezogen und von dort zu einem Pflock auf der anderen Tunnelseite gespannt war. Wenn ein kriechender GI an die Schnur stieß, rupfte sie den Stöpsel aus dem Bambusrohr über ihm, und die Schlange landete in seinem Genick.
    Zudem gab es Ratten, richtige Ratten. In den Tunneln hatten sie ihr Schlaraffenland gefunden und vermehrten sich mit rasender Geschwindigkeit. So wie die GIs niemals einen Toten, geschweige denn einen Verwundeten in den Tunneln zurückließen, so ungern ließ der Vietcong einen Gefallenen über Tage zurück, denn wenn die Amerikaner ihn fanden, wurde er ihrem geliebten »body count« zugeschlagen. Ein toter Vietcong wurde unter die Erde geschafft, in Hockstellung in der Wand bestattet und dann mit einer Schicht feuchtem Lehm bedeckt.
    Doch eine Lehmschicht vermag Ratten nicht aufzuhalten. Sie hatten eine unerschöpfliche Nahrungsquelle entdeckt und wurden so groß wie Katzen. Aber der Vietcong hauste wochen-, mitunter sogar monatelang ununterbrochen dort unten und zwang die Amerikaner, in sein Reich hinabzusteigen, ihn zu suchen und zu bekämpfen.
    Diejenigen, die das taten und überlebten, gewöhnten sich an den Gestank und an die abscheulichen Kreaturen. Es war immer heiß, stickig, eng und stockdunkel. Und es stank. Die

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