Der Raecher
Vietcong-Kämpfer mussten ihre Notdurft in einen Tonkrug verrichten,
den sie, wenn er voll war, im Boden vergruben und mit einem Lehmdeckel verschlossen. Doch auch den scharrten die Ratten auf.
Die GIs kamen aus einem Land, das besser gerüstet war als jedes andere auf der Welt, doch wer Tunnelratte wurde, musste auf jegliche Technik verzichten und wieder zu den Ursprüngen zurückkehren. Ein Kampfmesser, eine Handfeuerwaffe, eine Taschenlampe, ein Ersatzmagazin und zwei Ersatzbatterien, mehr taugte nicht für da unten.
Gelegentlich kam eine Handgranate zum Einsatz, doch das war gefährlich und kostete manchen Werfer das Leben. In der räumlichen Enge konnte der Knall die Trommelfelle zum Platzen bringen, aber noch schlimmer war, dass bei der Explosion der gesamte Sauerstoff im Stollen verbraucht wurde und man erstickte, ehe von außen Atemluft nachströmte.
Wer seine Pistole oder Taschenlampe benutzte, verriet seine Position oder sein Kommen, und man wusste nie, wer lautlos vor einem in der Finsternis kauerte. In dieser Hinsicht war der Vietcong immer im Vorteil. Er brauchte sich nur still zu verhalten und darauf zu warten, dass der Feind auf ihn zukroch.
Am nervenaufreibendsten für die Tunnelratte war das Passieren einer Falltür, die von einer Etage zur anderen führte, gewöhnlich nach unten. Dabei gab es die meisten Toten.
Oft endete ein Tunnel in einer Sackgasse. Aber hatte er wirklich keinen Ausgang? Wenn nicht, wozu war er dann überhaupt angelegt worden? Wenn der GI im Dunkeln oben nichts als eine Lehmwand, rechts und links keinen Seitengang ertastete, musste er die Taschenlampe anknipsen. Gewöhnlich entdeckte er dann eine geschickt getarnte und leicht zu übersehende Klappe in Wand, Decke oder Boden. Wollte man den Einsatz nicht abbrechen, musste man sie öffnen.
Aber was erwartete einen hinter der Tür? Falls der GI den Kopf durchstreckte und drüben ein Feind lauerte, war es um ihn geschehen. Der andere schnitt ihm die Kehle durch oder legte
ihm eine dünne Drahtschlinge um den Hals und zog zu. Ließ er sich mit den Füßen voran hinab, bekam er vielleicht einen Speer in den Bauch. Dann starb er einen qualvollen Tod, den Oberkörper in einer Etage, den verletzten Unterleib in der nächsten darunter.
Dexter hatte sich von den Waffenmeistern spezielle Handgranaten anfertigen lassen, die nicht größer waren als Mandarinen. Sie enthielten eine kleinere Sprengladung als die Standardausführung, dafür aber mehr Kugeln. Zweimal in den ersten sechs Monaten hob er eine Falltür an, warf eine solche Granate mit Dreisekundenzünder hinein und klappte die Tür wieder zu. Als er sie ein zweites Mal öffnete und mit der Taschenlampe hinaufkroch, war der benachbarte Raum ein Massengrab voller zerfetzter Körper.
Wasserverschlüsse schützten die Anlagen vor Gasangriffen, doch die kriechenden Tunnelratten stießen des Öfteren auf einen Pfuhl mit einer übel riechenden Brühe.
Das bedeutete, dass der Tunnel auf der anderen Seite des Wassers weiterging, und es gab nur eine Möglichkeit, dorthin zu gelangen: Man musste sich auf den Rücken drehen, mit dem Kopf voran eintauchen und sich mit den Händen an der Decke entlanghangeln in der Hoffnung, wieder aufzutauchen, bevor einem die Luft ausging. Sonst ertrank man in fünfzehn Metern Tiefe in der Finsternis, mit dem Kopf nach unten. Das Überleben hing vom Partner ab.
Bevor der Vordermann ins Wasser tauchte, band er sich eine Leine um die Füße und reichte sie seinem Partner nach hinten. Wenn er nicht innerhalb von neunzig Sekunden nach dem Untertauchen mit einem kräftigen Ruck Entwarnung gab und signalisierte, dass er drüben Luft vorgefunden hatte, musste ihn sein Kamerad unverzüglich herausziehen, weil er sonst krepierte.
Von Zeit zu Zeit wurden die Tunnelratten für all die Strapazen, Qualen und Ängste belohnt und stießen auf eine Hauptader.
Dies war in der Regel eine Höhle, die, manchmal erst kurz zuvor in aller Eile geräumt, offensichtlich als Befehlsstand gedient hatte. Dann wurden kistenweise Unterlagen, Dokumente, Karten und andere Souvenirs in die Etappe zu den Experten vom militärischen Geheimdienst G2 geschafft.
Zweimal entdeckten der Dachs und der Maulwurf eine solche Schatzhöhle. Die vorgesetzten Offiziere, unsicher, wie sie mit diesen sonderbaren jungen Männern umgehen sollten, verteilten Orden und lobende Worte. Doch die PR-Leute, die normalerweise ganz versessen darauf waren, der Welt von Kriegserfolgen zu berichten, wurden zum
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