Der Raecher
muslimischen Gemeinden Ausschau, die ohne bewaffneten Schutz waren.
Am 14. Mai entdeckten sie in der Vlasić-Bergkette einen Weiler, nahmen ihn mit einem Handstreich ein und massakrierten die Bewohner, verbrachten die Nacht in den Wäldern und kehrten am Abend des 15. wieder nach Banja Luka zurück.
Der Neue verließ sie am nächsten Tag und schrie, dass er wieder an die Universität zurückwolle. Zilić ließ ihn ziehen, aber nicht ohne ihn vorher zu warnen, dass er ihm höchstpersönlich mit einem zerbrochenen Weinglas den Schwanz abschneiden und ihm beides in umgekehrter Reihenfolge in den Hals stopfen werde, falls er nicht den Mund halte. Er hatte den Jungen von Anfang an nicht gemocht, er war dumm und zimperlich.
Das Abkommen von Dayton beendete die Jagd in Bosnien, doch dann wurde im Kosovo die Saison eröffnet, und 1998 operierte Zilić auch dort, angeblich, um die Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) zu zerschlagen, doch in Wahrheit konzentrierte er sich auf ländliche Gemeinden und wirklich lohnende Kriegsbeute.
Bei all dem verlor er niemals den eigentlichen Zweck seines Pakts mit Slobodan Milošević aus den Augen. Die Gefälligkeiten, die er dem Despoten erwies, hatten sich überaus bezahlt gemacht. Er besaß einen Freibrief für seine kriminellen Geschäfte. Er tat, was jeder erfolgreiche Mafioso an den Gesetzen vorbei tut, doch er tat es mit dem Segen des Präsidenten.
Die wichtigsten Pfründen, die ihm Gewinnspannen von mehreren hundert Prozent sicherten, bestanden aus illegalem Handel mit Zigaretten und Parfüm, Cognac, Whisky und allen erdenklichen Luxuswaren. Er teilte sie sich mit Raznatovic, dem einzigen Gangster vergleichbaren Formats, und wenigen anderen. Obwohl er sich mit Schmiergeldern die notwendige Protektion von Polizei und Politik erkaufen musste, war er Mitte der Neunzigerjahre Millionär.
Dann stieg er in die Prostitution und den Handel mit Drogen und Waffen ein. Da er fließend Deutsch und Englisch konnte, machte er in der internationalen Unterwelt eine bessere Figur als seine Kollegen, die nur eine Sprache beherrschten.
Der Handel mit Drogen und Waffen war besonders einträglich. Sein Dollarvermögen wuchs auf einen achtstelligen Betrag an. Selbst die amerikanische Drogenbehörde, die CIA, der militärische Nachrichtendienst DIA (Waffenhandel) und das FBI legten Akten über ihn an.
Die Gefolgschaft Miloševićs, durch Unterschlagung reich geworden, korrupt, mächtig, protzig, luxusverliebt und von Speichelleckern umgeben, wurde bequem und selbstzufrieden. Sie glaubte, die Party würde ewig so weitergehen. Nicht so Zilić.
Er mied die einschlägigen Banken, deren Dienste die meisten
Gefolgsleute in Anspruch nahmen, um ihr Vermögen zu horten oder außer Landes zu schaffen. Fast jeden Dollar, den er verdiente, verschob er über Banken, die im serbischen Staat niemand kannte. Und er achtete auf erste verdächtige Risse im Putz. Früher oder später, so folgerte er scharfsinnig, würden selbst die windelweichen Politiker und Diplomaten Großbritanniens und der Europäischen Union Milošević durchschauen und mit der Faust auf den Tisch hauen. Den Anlass lieferte das Kosovo.
Die landwirtschaftlich geprägte Provinz bildete zusammen mit Montenegro die letzten serbischen Pfründen innerhalb des Bundesstaates Jugoslawien. In ihr lebten hundertachtzigtausend muslimische Kosovaren, die von den albanischen Nachbarn kaum zu unterscheiden waren, sowie zweihunderttausend Serben.
Milošević hatte die Kosovaren zehn Jahre lang gezielt drangsaliert, ehe die vormals dahinsiechende Kosovo-Befreiungsarmee wieder zum Leben erwachte. Er verfolgte die gleiche Strategie wie immer. Rücksichtslos verfolgen, warten, bis es vor Ort zu Ausschreitungen kommt, die »Terroristen« an den Pranger stellen und dann in großer Zahl einrücken, um die Serben zu retten und die »Ordnung« wiederherzustellen. Dann verkündete die Nato, sie werde diesmal nicht tatenlos zusehen. Milošević glaubte ihr nicht. Ein Fehler. Diesmal meinte sie es ernst.
Im Frühjahr 1999 begannen die ethnischen Säuberungen. Hauptakteur waren die Besatzungstruppen der Dritten Armee, unterstützt wurden sie von der Sicherheitspolizei und den Milizen: Arkans Tigern, Frankies Boys und Zorans Wölfen. Erwartungsgemäß flohen über hunderttausend Kosovaren über die Grenzen nach Albanien und Mazedonien. Wie beabsichtigt. Der Westen sollte sie alle als Flüchtlinge aufnehmen. Doch das tat er nicht. Er eröffnete den Luftkrieg gegen
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