Der Raecher
der zu Beginn seiner Karriere als Undercoveragent das organisierte Verbrechen ausforschte, was zu den gefährlichsten Einsätzen überhaupt gehörte, und später die Cosa Nostra an der Ostküste zerschlug. Nach einer Schussverletzung am rechten Bein gehbehindert, kehrte er nach Washington zurück und übernahm die Leitung der Abteilung, die sich mit käuflichen Killern, Söldnern und anderen »Freiberuflern« beschäftigte. Mit gerunzelter Stirn sann er über Flemings Frage nach.
»Mir ist da mal was zu Ohren gekommen«, räumte er ein. »Von einem Mann, der Verbrecher jagt. Eine Art Kopfgeldjäger. Er hat einen Decknamen.«
»Ein Killer? Sie wissen, so etwas ist strikt verboten.«
»Nein, das ist es ja gerade«, sagte der alte Veteran. »Angeblich bringt er niemanden um. Er schnappt sie, kidnappt sie, bringt sie zurück. Teufel, wie war noch mal sein Name?«
»Es könnte wichtig sein«, meinte Fleming.
»Mein Vorgänger versuchte, ihn zu identifizieren. Er setzte einen verdeckten Ermittler auf ihn an, als Auftraggeber getarnt. Aber irgendwie roch er den Braten, verließ das Treffen unter einem Vorwand und kam nicht wieder.«
»Warum hat er nicht alles zugegeben und reinen Tisch gemacht?«, fragte Fleming. »Wenn er kein Killer war...«
»Vermutlich weil er im Ausland operierte und das Bureau keine Leute mag, die in seinem Revier wildern. Vermutlich dachte er,
wir hätten um Direktiven von ganz oben gebeten und den Befehl bekommen, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Und wahrscheinlich hätte er damit auch Recht behalten. Deshalb ist er im Verborgenen geblieben, und ich habe ihn nie zur Strecke gebracht.«
»Der Agent müsste einen Bericht geschrieben haben.«
»O ja. Wie es sich gehört. Wahrscheinlich hat er ihn unter dem Decknamen des Mannes abgelegt. Einen anderen Namen haben wir nie herausgekriegt. Ach ja, so hieß er. Avenger. Geben Sie ›Avenger‹ ein. Mal sehen, was dabei herauskommt.«
Die Akte, die der Computer ausspuckte, war in der Tat dünn. Man hatte im Kleinanzeigenteil einer technischen Zeitschrift für Liebhaber alter Flugzeuge eine Annonce aufgegeben - anscheinend die einzige Möglichkeit der Kontaktaufnahme - und sich eine Geschichte ausgedacht, ein Treffen arrangiert.
Der Kopfgeldjäger hatte darauf bestanden, im Dunkeln hinter einer hellen Lampe zu sitzen, die nach vorn strahlte. Der Agent beschrieb ihn als mittelgroß, von schmaler Statur, nicht schwerer als achtzig Kilo. Sein Gesicht konnte er nicht sehen, aber nach drei Minuten schöpfte der Mann Verdacht. Er knipste die Lampe aus, und als der Agent, in der Dunkelheit zunächst blind, zu blinzeln aufhörte, war er verschwunden.
Alles, was der Agent berichten konnte, war, dass die linke Hand des Kopfgeldjägers auf dem Tisch zwischen ihnen gelegen hatte. Der Ärmel war nach oben gerutscht und entblößte eine Tätowierung auf dem Unterarm. Eine Ratte, die sich grinsend über die Schulter blickte und dem Betrachter ihren nackten Hintern zeigte.
Nichts davon war für Senator Lucas oder seinen Freund in Kanada von irgendwelchem Interesse. Doch Colin Fleming wollte sie wenigstens über den Decknamen und die Art der Kontaktaufnahme informieren. Die Erfolgschancen standen eins zu hundert, aber mehr hatte er nicht zu bieten.
Drei Tage später öffnete Steve Edmond in seinem Büro in Ontario den Brief seines Freundes aus Washington. Er war bereits
über die Erkenntnisse der sechs Dienste informiert und hatte die Hoffnung praktisch aufgegeben.
Er las den zusätzlichen Brief und runzelte die Stirn. Er war davon ausgegangen, dass die mächtigen Vereinigten Staaten ihren Einfluss geltend machen und eine ausländische Regierung zwingen würden, den Mörder in Handschellen an die USA auszuliefern.
Nie wäre er auf den Gedanken gekommen, dass er zu spät kam, dass Zilić einfach untergetaucht war und die Washingtoner Behörden mit ihren Milliardenetats schlicht und ergreifend nicht wussten, wo er steckte, und daher nichts unternehmen konnten.
Er dachte zehn Minuten darüber nach, zuckte mit den Schultern und drückte auf die Taste der Sprechanlage.
»Jean, ich möchte in einer technischen Zeitschrift in den Staaten eine private Kleinanzeige aufgeben, unter der Rubrik ›Gesucht‹. Sie müssen dieses Blatt erst ausfindig machen. Ich habe noch nie davon gehört. Es heißt Vintage Airplane. Ja, der Text lautet wie folgt: ›AVENGER gesucht. Seriöses Angebot. Keine Preisgrenze. Bitte um Anruf.‹ Und geben Sie meine private Handynummer an. Alles
Weitere Kostenlose Bücher