Der Raecher
und enthielt eine vollständige Fotokopie der Berichte des Spürhunds von 1995 und vom Frühjahr 2001, dazu das Geständnis Milan Rajaks. Die US-Geheimdienste hatten dem Kanadier die Akten über Zoran Zilić aus ihren Archiven vorenthalten, daher waren seine Kenntnisse über den Serben vage. Erschwerend kam hinzu, dass er kein Foto von ihm besaß.
Dexter kehrte in die Zeitungsarchive zurück, die heutzutage für jeden, der in der jüngeren Geschichte forscht, die wichtigste Quelle darstellen. Kaum ein nennenswertes Ereignis, über das nicht irgendein Journalist geschrieben, kaum eine nennenswerte Person, die nicht irgendein Fotograf dokumentiert hat. Aber Zoran Zilić hatte es fast geschafft.
Im Gegensatz zu dem publicityhungrigen Zeljko »Arkan« Raznatovic hasste er es, fotografiert zu werden. Allem Anschein nach vermied er bewusst jedes Aufsehen. In dieser Beziehung ähnelte er gewissen palästinensischen Terroristen wie Sabri-al-Banna, bekannt unter dem Namen Abu Nidal.
Dexter fand in der Newsweek einen längeren Artikel aus der
Zeit des Bosnienkriegs. Er beschäftigte sich mit der Rolle der so genannten serbischen Warlords, doch Zilić wurde darin, wahrscheinlich aus Mangel an Material, nur am Rande erwähnt.
Der Artikel enthielt auch zwei Fotos von ihm. Das erste, offensichtlich ein vergrößerter Ausschnitt, denn es war etwas unscharf, zeigte einen erwachsenen Mann auf einer Art Cocktailparty, das zweite, das aus den Belgrader Polizeiakten stammte und aus der Zeit der Straßenbanden in Zemun datierte, einen Teenager. Dexter hätte ihn anhand dieser Fotos nicht erkannt, wenn er ihm auf der Straße begegnet wäre.
Der Engländer, der Spürhund, erwähnte eine Detektei in Belgrad. Der Krieg war inzwischen vorüber, Milošević gestürzt, und so hielt es Dexter für das Beste, in der jugoslawischen Hauptstadt, in der Zilić geboren und aufgewachsen und aus der er verschwunden war, mit seinen Nachforschungen zu beginnen. Er flog von New York nach Wien und von dort weiter nach Belgrad, wo er im Hyatt abstieg. Von seinem Fenster im zehnten Stock hatte er einen weiten Blick über die Balkanstadt, die mehrfach bombardiert worden war. Eine halbe Meile entfernt konnte er das Hotel sehen, in dem Raznatovic trotz einer Schar von Leibwächtern erschossen worden war.
Er fuhr mit dem Taxi zur Detektei Chandler. Sie wurde immer noch von Dragan Stojić, dem Möchtegern-Philip-Marlowe, geleitet. Dexter stellte sich als Journalist vor, der im Auftrag des New Yorker einen zehntausend Wörter umfassenden Artikel über Raznatovics Leben schreiben sollte. Stojić nickte und grunzte.
»Jeder kannte ihn. War mit einer Schlagersängerin verheiratet, einem Glamourgirl. Aber was wollen Sie von mir?«
»Eigentlich habe ich alles beisammen, was ich für den Artikel brauche«, erwiderte Dexter, dessen amerikanischer Pass auf den Namen Alfred Barnes lautete. »Nur ist mir nachträglich noch etwas eingefallen, was ich einbauen sollte. Es geht um einen ehemaligen Gefährten Arkans in der Belgrader Unterwelt. Sein Name ist Zoran Zilić.«
Stojić tat einen langen Seufzer.
»Das war vielleicht ein übler Typ«, sagte er. »Er hat sich nie fotografieren lassen und es auch nicht gemocht, wenn über ihn geschrieben oder auch nur geredet wurde. Wer in dieser Hinsicht seinen Unmut erregte, bekam... Besuch. Es gibt nicht viel Gedrucktes über ihn.«
»Kann ich mir vorstellen. Welches Belgrader Zeitungsarchiv ist das beste?«
»Die Frage erübrigt sich, denn es gibt eigentlich nur eins. Es heißt VIP und unterhält ein Büro im Stadtteil Vracar. Der Leiter ist Slavko Marković.«
Dexter stand auf.
»War das alles?«, fragte der Balkan-Marlowe. »Das ist ja kaum eine Rechnung wert.«
Der Amerikaner zückte einen Hundertdollarschein und legte ihn auf den Tisch. »Jede Information hat ihren Preis, Mr. Stojić. Und wenn es nur ein Name und eine Adresse ist.«
Er nahm sich ein anderes Taxi zum Pressearchiv VIP. Marković machte gerade Mittag, und so ging er in ein Café und wartete bei einer leichten Mahlzeit und einem Glas Rotwein aus der Region, bis er zurückkam.
Marković war ebenso pessimistisch wie der Privatdetektiv. Doch er sah nach, was seine Datenbank zu bieten hatte.
»Einen Artikel«, sagte er, »und zufällig ist er auf Englisch.«
Es war der Newsweek- Artikel aus der Zeit des Bosnienkriegs.
»Mehr haben Sie nicht?«, wollte Dexter wissen. »Der Mann war mächtig, wichtig, prominent. Er muss doch irgendwelche Spuren
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