Der Raecher
Commini-Fluss gab es kilometerweit keine geeigneten Sandstrände. Der Küstenstreifen zwischen Dschungel und Meer bestand aus einem Mangrovendickicht, das durch braunes, schlangenverseuchtes Wasser kroch. Sie überflogen die Hauptstadt San Martin City, die in der schwülwarmen Hitze döste.
Der einzige Strand lag östlich der Stadt in La Bahia, doch dieser Ferienort war für die Reichen und Mächtigen von San Martin reserviert, also für den Diktator und seine Freunde. Fünfzehn Kilometer vor dem Moroni-Fluss und der Grenze zu Französisch-Guyana lag El Punto.
Wie ein Haifischzahn ragte die dreieckige Halbinsel ins Meer hinaus, auf der Landseite von einer Sierra oder Bergkette geschützt, die von Küste zu Küste reichte und nur von einer einzigen Passstraße durchschnitten wurde.
Der Pilot war noch nie so weit nach Osten geflogen, und die Halbinsel war für ihn nur ein Dreieck auf seinen Navigationskarten. Er konnte unter sich eine Art befestigte Hazienda erkennen. Der Passagier begann zu fotografieren.
Dexter benutzte eine Nikon F5 35 mm mit eingebautem Motor, mit der er fünf Bilder pro Sekunde schießen und den Film in sieben Sekunden durchknipsen konnte. Doch für einen Filmwechsel reichte die Zeit nicht, denn es war viel zu riskant, mit dem Flugzeug zu kreisen.
Wegen der Vibrationen der Maschine musste er eine sehr kurze Belichtungszeit wählen; alles, was länger als 1/500 Sekunde dauerte, würde die Bilder verwackeln. Ein 400 ASA-Film und Blende 8 versprachen die besten Ergebnisse.
Beim ersten Überfliegen fotografierte er das Haus an der Spitze der Halbinsel, das von einer Schutzmauer mit einem großen Tor umgeben war; außerdem die Äcker, auf denen Menschen arbeiteten, zahlreiche Scheunen und landwirtschaftliche Gebäude sowie den Maschendrahtzaun, der die Felder von einer Ansammlung würfelförmiger weißer Hütten trennte, die anscheinend das Dorf der Arbeiter bildeten.
Mehrere Leute schauten nach oben. Er sah zwei Uniformierte rennen. Dann hatten sie die Halbinsel überflogen und näherten sich französischem Gebiet.
Auf dem Rückweg ließ er den Piloten über das Landesinnere fliegen, sodass er das Anwesen von der Landseite her betrachten konnte. Von den Gipfeln der Bergkette blickte er hinab auf die Hazienda, die sich bis zum Haus und zum Meer erstreckte. Doch am Pass stand ein Wächter, der sich die Nummer der Piper notierte.
Den zweiten Film benutzte er, um den privaten Flugplatz am Fuß der Berge zu fotografieren, die Wohnhäuser, die Werkstätten und den Haupthangar. Ein Flugzeugschlepper schob einen zweistrahligen Firmenjet in den Hangar. Die Heckflosse war schon fast nicht mehr zu sehen. Dexter erhaschte gerade noch einen Blick von ihr, ehe sie ganz im Dunkel verschwand. Die Nummer lautete P4-ZEM.
21
Der Jesuit
P aul Devereaux glaubte zwar nicht, dass man dem FBI erlauben würde, das Projekt Peregrine zu Fall zu bringen, doch seit dem heftigen Wortwechsel mit Colin Fleming war er beunruhigt. Intelligenz, Einfluss und Beharrlichkeit dieses Mannes waren nicht zu unterschätzen. Er fürchtete, dass es zu Verzögerungen kommen könnte.
Seit zwei Jahren leitete er ein Projekt, das so geheim war, dass nur CIA-Direktor George Tenet und Richard Clarke, der Terrorismusexperte im Weißen Haus, davon wussten. Er hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um einer Person eine Falle zu stellen, und stand jetzt kurz davor, sie zuschnappen zu lassen.
Die Zielperson wurde einfach UBL genannt. Und zwar deshalb, weil in den Washingtoner Geheimdienstkreisen der Vorname des Mannes, Usama, mit »U« geschrieben wurde, während die Medien ein »O« bevorzugten.
Im Sommer 2001 war die gesamte Geheimdienstgemeinde fest davon überzeugt, dass ein Anschlag des Mannes gegen die USA bevorstand. Neunzig Prozent glaubten, dass sich der Angriff gegen eine größere US-Einrichtung im Ausland richten würde. Nur zehn Prozent hielten einen erfolgreichen Anschlag auf amerikanischem Boden für möglich.
Alle Dienste waren von diesem Gedanken besessen, insbesondere die Antiterrorabteilungen von CIA und FBI. Ihr Ziel war herauszufinden, was UBL im Schilde führte, um seinen Plan zu vereiteln.
Ungeachtet der Präsidentenorder 12333, die Tötungen verbot,
versuchte Paul Devereaux nicht, UBL zuvorzukommen. Er versuchte, ihn zu liquidieren.
Schon zu Beginn seiner Karriere hatte der Intellektuelle vom Boston College begriffen, dass eine gewisse Spezialisierung unerlässlich war, wenn man es in der Firma zu etwas
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