Der Raritätenladen
hungriger Bewunderung zusahen.
»He!« rief die Karawanendame, indem sie die Krumen aus ihrem Schoße schaufelte und sie verschluckte, ehe sie ihre Lippen abwischte. ›Ja, die werdens wissen!‹ – »Wer gewann beim Wettrennen den silbernen Preis, Kind?«
»Wie, Madame?« fragte Nell.
»Ich frage, wer bei dem Wettrennen den Preis gewann, Kind? Den silbernen Preis bei dem Rennen am zweiten Tag?«
»Am zweiten Tag, Madame?«
»Am zweiten Tag. Freilich, am zweiten Tag«, wiederholte die Dame mit ungeduldiger Gebärde. »Kannst du nicht sagen, wer den Preis gewann, wenn du höflich darum gefragt wirst?«
»Ich weiß es nicht, Madame.«
»Du weißt es nicht?« entgegnete die Karawanendame. »Ei, ihr wart ja dort! Ich sah euch mit meinen eigenen Augen.«
Nell erschrak, als sie das hörte, denn sie fürchtete, die Dame könnte mit der Firma Short & Codlin genauer bekannt sein. Doch schon die nächsten Worte dienten zu ihrer Beruhigung.
»Und mit großem Bedauern habe ich euch in Gesellschaft eines Policinellos gesehen«, fügte die Karawanendame hinzu, »eines armseligen, gemeinen Wichts, auf den die Leute nur mit Verachtung blicken sollten.«
»Ich kam nicht freiwillig dazu«, versetzte das Kind. »Wir wußten keinen Weg, und die zwei Männer waren so freundlich, uns mit sich reisen zu lassen. Sind – sind sie Ihnen bekannt, Madame?«
»Ob sie mir bekannt sind, Kind?« rief die Karawanendame fast kreischend. »Ob mir diese Menschen bekannt sind? Doch du bist jung und unerfahren, und dies mag deine Frage entschuldigen. Sehe ich denn wie eine Person aus, die mit solchen Leuten bekannt ist? Sieht die Karawane aus, als ob sie mit ihnen zu schaffen hätte?«
»Nein, Madame, nein«, entgegnete das Kind, das fürchtete, einen argen Verstoß begangen zu haben. »Ich bitte um Verzeihung!«
Diese wurde auch alsbald gewährt, obgleich die Dame noch immer finster und übelgelaunt ob einer so herabwürdigenden Vermutung zu sein schien. Nelly erzählte ihr sodann, daß sie das Pferderennen am ersten Tage verlassen hätten und nun auf diesem Wege nach der nächsten Stadt wandern wollten, in der sie zu übernachten gedächten. Da sich das Gesicht der wohlbeleibten Dame wieder aufzuklären begann, so wagte sie zu fragen, wie weit es noch bis dahin wäre. Die Antwort er
folgte erst, nachdem die Dame umständlich auseinandergesetzt hatte, sie sei am ersten Tag in einem Gig zu dem Wettrennen gekommen, rein um des Vergnügens willen, da ihre Anwesenheit daselbst durchaus keine Beziehung zu Geschäfts- oder Erwerbsangelegenheiten gehabt hätte, und lautete dahin, daß es noch acht Meilen bis zur Stadt wären.
Diese entmutigende Nachricht wirkte etwas niederschmetternd auf das Kind, das kaum eine Träne unterdrücken konnte, als es die immer dunkler werdende Straße hinabsah. Der alte Mann ließ keinen andern Klagelaut als einen schweren Seufzer vernehmen, indem er sich dabei auf seinen Wanderstab stützte und vergebens das Ende des staubigen Weges zu erspähen suchte.
Die Karawanendame wollte eben ihr Teeservice zusammenpacken und den improvisierten Tisch abräumen; als sie aber das ängstliche Wesen des Kindes bemerkte, zögerte sie und hielt inne. Nelly verbeugte sich, dankte für die Auskunft, gab dem alten Manne die Hand und hatte sich bereits ungefähr fünfzig Schritte entfernt, als ihr die Karawanendame nachrief, sie möchte wieder umkehren.
»Komm näher, noch näher«, sagte sie, indem sie ihr winkte, die Wagentreppe heraufzukommen. »Bist du hungrig, Kind?«
»Nicht sehr, aber wir sind müde, und es ist – es ist noch so weit …«
»Nun, hungrig oder nicht, in keinem Falle wird dir etwas Tee schaden«, entgegnete die neue Bekannte. »Vermutlich werden Sie auch nichts dagegen haben, alter Herr?«
Der Großvater zog demütig seinen Hut und dankte. Die Karawanendame hieß ihn nun gleichfalls die Treppe heraufkommen; aber da sich die Trommel als ein sehr unbequemer Tisch für zwei erwies, so stiegen sie wieder hinunter und setzten sich ins Gras, während die Dame das Teebrett, Butter und
Brot, den Schinken, kurz alles hinunterreichte, woran sie sich selbst erfrischt hatte, die Flasche ausgenommen, die bei einer günstigen Gelegenheit in ihre Tasche geschlüpft war.
»Stelle es neben die Hinterräder, Kind, das ist der beste Platz«, sagte ihre Freundin, die Zurüstungen von oben herab beaufsichtigend. »Gib den Teetopf herauf, daß ich noch etwas heißes Wasser und eine Prise frischen Tee hineintun kann; ihr mögt
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