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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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vergaß es jedoch bald in der Freude über die Nachricht, daß sie in dem Wagen fahren dürften, und dankte der Dame mit aufrichtiger Herzlichkeit. Mit großer Bereitwilligkeit und Behendigkeit half sie das Teegeschirr und die andern Dinge, die umherlagen, aufräumen, und sobald die Pferde eingeschirrt waren, kletterte
sie mit ihrem entzückten Großvater in den Wagen. Ihre Beschützerin schloß sofort die Tür und setzte sich neben die Trommel an ein offenes Fenster. George nahm die Treppe ab, packte sie unter das Fuhrwerk, und fort ging es unter vielem Klappern, Knarren und Krachen, wobei der glänzende Messingklopfer, dessen sich sonst niemand bediente, während des schwerfälligen Dahinholperns aus eignem Antrieb einen unablässigen Doppelschlag ausführte.

Siebenundzwanzigstes Kapitel
    Als sie, in einem langsamen Tempo fahrend, eine kurze Strecke zurückgelegt hatten, wagte Nell sich verstohlen in dem Wagen umzusehen und ihn genauer zu betrachten. Die eine Hälfte – jene, in der es sich die gemütliche Besitzerin behaglich gemacht hatte – war mit Teppichen belegt und am äußersten Ende so abgeteilt, daß sie eine Art Schlafstätte bildete – ungefähr so konstruiert wie die Kojen an Bord eines Schiffes. Sie war wie die kleinen Fenster mit schönen weißen Vorhängen beschattet und sah ganz bequem aus, obgleich es ein unergründliches Geheimnis war, durch welche Art gymnastischer Übung es der Karawanendame je möglich wurde, hineinzukommen. Die andere Hälfte diente als Küche und war mit einem Ofen ausgestattet, dessen Kamin durch das Dach ging; auch enthielt sie einen Speiseschrank, mehrere Truhen, einen großen Krug mit Wasser, Kochgeräte und einige Töpferwaren. Die letzteren Utensilien hingen an den Wänden, die in dem für die Karawanendame bestimmten Abteil mit einigen lustigeren und leichteren Schmuckstücken, zum Beispiel einem Triangel und einem Paar sehr abgerissener Tamburins, verziert waren.
    Die Dame selber saß im vollen Stolze und in aller Poesie
dieser musikalischen Instrumente an dem einen Fenster, während die kleine Nell und ihr Großvater in der ganzen Demut des Kessels und der Pfannen an dem andern ihren Platz hatten; und mittlerweile holperte der Wagen weiter und veränderte die immer dunkler werdende Aussicht nur sehr langsam. Anfangs sprachen unsere zwei Wanderer wenig und nur flüsternd; als sie aber allmählich mit dem Orte vertrauter wurden, wagten sie sich ungezwungener zu unterhalten und sprachen von der Gegend, durch die sie fuhren, und den verschiedenen Gegenständen, die sich ihren Augen darboten, bis der alte Mann einschlief. Als die Karawanendame dies bemerkte, lud sie Nell ein, heranzukommen und an ihrer Seite Platz zu nehmen.
    »Nun, Kind«, sagte sie, »wie gefällt dir diese Art zu reisen?«
    Nell versetzte, daß sie ihr ausnehmend gut gefalle, und die Dame gab es zu, doch meinte sie, es wäre nur für Leute angenehm, die sehr lustig seien. Denn was sie anbelangte, sagte sie, so würde sie von traurigen Stimmungen heimgesucht, die eine beständige Anregung forderten; ob aber die genannte Anregung aus der verdächtigen Flasche oder aus andern Quellen geholt wurde, das sagte sie nicht.
    »Darin seid ihr glücklich, ihr jungen Menschen«, fuhr sie fort; »ihr wißt nicht, was es heißt, gedrückt und verstimmt zu sein. Auch habt ihr stets einen guten Appetit, und was liegt hierin nicht für ein Trost?«
    Nell dachte, sie könnte zuweilen ihren Appetit recht bequem entbehren, und dachte auch außerdem, die äußere Erscheinung der Dame oder ihre Art, Tee zu trinken, berechtigte durchaus nicht zu dem Schluß, daß ihr die natürliche Lust am Essen und Trinken vergangen sei. Sie nickte jedoch pflichtschuldigst stumm zu den Worten der Dame und wartete, bis diese fortfahren würde.
    Statt jedoch zu sprechen, sah sie das Kind geraume Zeit schweigend an, stand dann auf und holte aus einem Winkel eine sehr lange und ellenbreite Rolle Leinwand, die sie auf den Boden legte und mit dem Fuße auseinanderrollte, bis sie fast von einem Ende des Wagens bis zum andern reichte.
    »Da, mein Kind«, sagte sie, »lies das!«
    Nell trat an das Ende der Rolle und las laut die mit schwarzen Riesenbuchstaben gemalte Inschrift: »Jarleys Wachsfigurenkabinett.«
    »Lies es noch einmal!« sagte die Dame selbstgefällig.
    »Jarleys Wachsfigurenkabinett«, wiederholte Nell.
    »Das bin ich«, sagte die Dame, »ich bin Madame Jarley.«
    Während die Karawanendame Nelly einen ermutigenden Blick

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