Der Raritätenladen
dann essen und trinken, so viel ihr könnt, und braucht nicht zu sparen; das ist alles, was ich verlange.«
Sie hätten vielleicht den Wunsch der Dame erfüllt, wenn er auch nicht so freimütig oder auch gar nicht ausgedrückt worden wäre. Aber da sie diese Aufforderung auch von dem geringsten Bedenken, der leisesten Schüchternheit befreite, so sprachen sie dem Mahle kräftig zu und hatten einen außerordentlichen Genuß.
Während sie so beschäftigt waren, stieg die Karawanendame herunter und ging mit gemessenen Schritten, die Hände auf dem Rücken und gar stattlich mit ihrem Hute wackelnd, auf und ab, wobei sie von Zeit zu Zeit mit der Miene stillen Entzückens den Wagen betrachtete und eine besondere Freude an den roten Feldern und dem Messingklopfer zu haben schien. Nachdem sie sich eine Weile diesem gemächlichen Tun hingegeben hatte, setzte sie sich auf die Treppe und rief: »George!«, worauf ein Mann in einem Fuhrmannskittel zum Vorschein kam; er hatte bisher in einer Hecke gesteckt, so daß er alles, was vorging, beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden; und als er jetzt die ihn verhüllenden Zweige zurückbog, zeigte er sich in einer sitzenden Stellung, auf seinen Knien eine Backschüssel und einen steinernen Maßkrug, in den Händen ein Messer und eine Gabel haltend.
»Ja, Madame!« sagte George.
»Wie habt Ihr die kalte Pastete gefunden, George?«
»Sie war nicht übel, Madame.«
»Und das Bier?« fuhr die Karawanendame mit einer Miene fort, als interessiere sie sich mehr für diese als für die erste Frage; »geht es an, George?«
»Es ist ein bißchen flauer, als es sein sollte«, entgegnete George; »man kanns aber wohl trinken.«
Um seine Gebieterin in dieser Hinsicht zu beruhigen, tat er einen Schluck, der ungefähr einen Schoppen vertilgen mochte, schmatzte mit den Lippen, zwinkerte mit den Augen und nickte. Und nun griff er zweifellos in der gleich freundlichen Absicht zu dem Messer und der Gabel, wie um praktisch zu versichern, daß das Bier nicht übel auf seinen Appetit gewirkt hatte. Die Karawanendame sah ihm eine Weile beifällig zu und sagte sodann:
»Seid Ihr bald fertig?«
»Beinahe, Madame.«
Und in der Tat, nachdem er die Schüssel rundum mit seinem Messer ausgekratzt und die auserlesensten braunen Bissen seinem Munde zugeführt und außerdem so geschickt das letzte Bier aus dem Steinkrug gesogen hatte, daß sich der Kopf des Ehrenmannes allmählich und fast unmerklich immer weiter und weiter nach hinten senkte, bis seine ganze Figur der Länge nach ausgestreckt auf dem Boden lag – nachdem, wie gesagt, all dies geschehen war, erklärte er, fertig zu sein, und kam aus seinem Versteck hervor.
»Ich hoffe, Ihr habt Euch nicht übereilt, George!« sagte seine Gebieterin, die für seine letzte Anstrengung große Sympathie zu haben schien.
»Wenn Sie mich zu sehr gehetzt haben«, entgegnete ihr Begleiter, der sich weislich für jeden günstigen Fall einen Rückhalt wahren wollte, »so müssen wirs eben das nächstemal wieder einbringen; das ist alles.«
»Wir haben doch keine schwere Ladung, George?«
»So sprechen die Frauenzimmer immer«, versetzte der Mann, indem er weit umherschaute, als wolle er an die ganze Natur gegen solch ungeheure Behauptungen appellieren. »Wenn man eine Frau kutschieren sieht, so kann man immer bemerken, daß sie die Peitsche keinen Augenblick ruhen läßt; ein Pferd kann ihr nie geschwind genug gehen. Wenn ein Vieh einmal seine gehörige Last hat, so ist eine Frauensperson nie zu überzeugen, daß es nicht noch mehr tragen kann. Nun, was soll die Frage?«
»Würden diese zwei Reisenden für die Pferde einen großen Unterschied ausmachen, wenn wir sie mitnähmen?« fragte seine Gebieterin, ohne auf diese philosophische Frage zu antworten, und deutete dabei auf Nell und den alten Mann, die sich mit kläglichen Mienen anschickten, ihre Reise zu Fuß fortzusetzen.
»Freilich machen sie etwas aus«, erwiderte George verdrießlich.
»Aber ich meine, ob sie viel ausmachen würden«, wiederholte die Herrin. »Sie können nicht sonderlich schwer sein.«
»Das Gewicht dieses Paares, Madame«, versetzte George, indem er die beiden mit dem Blick eines Mannes betrachtete, der eine Last auf ein Lot hin zu schätzen weiß, »macht eine Kleinigkeit weniger als das des Oliver Cromwell.«
Nell war ganz erstaunt, daß der Mann so genau mit dem Gewicht einer Person bekannt war, die, wie sie in Büchern gelesen, so lange vor ihrer Zeit gelebt hatte; sie
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