Der Raritätenladen
küssen, und kehrte in das Haus zurück.
Sie waren kaum einige Schritte gegangen, als er schon wieder an der Gartentür erschien; der alte Mann kehrte zurück, um ihm noch einmal die Hand zu drücken, und die Kleine tat das gleiche.
»Glück und Segen begleite euch!« sagte der arme Schulmeister. »Ich bin jetzt ein ganz einsamer Mann. Wenn ihr je wieder dieses Weges kommt, so vergeßt die kleine Dorfschule nicht!«
»Wir werden sie nie vergessen, Sir«, versetzte Nell, »und werden uns stets mit Dankbarkeit an Eure Güte erinnern.«
»Ich habe schon sehr oft von Kinderlippen solche Worte vernommen«, sagte der Schulmeister, indem er gedankenvoll lächelnd den Kopf schüttelte, »aber sie wurden immer bald vergessen. Ein junger Freund schenkte mir seine Liebe, er war um so besser, weil er jung war – aber das ist jetzt vorüber. Gott behüte euch!«
Sie verabschiedeten sich noch einigemal von ihm und entfernten sich endlich langsam, indem sie oft zurückschauten, bis sie ihn nicht mehr sehen konnten. Dann lag auch das Dorf weit hinter ihnen, und selbst der Rauch über den Bäumen war ihren Blicken entschwunden. Sie wanderten jetzt raschen Schrittes weiter, entschlossen, der Landstraße zu folgen, wohin immer sie auch führen mochte.
Aber Landstraßen dehnen sich oft sehr, sehr lang. Und diese Straße führte – mit Ausnahme einiger unbeträchtlicher Häusergruppen, an denen sie, ohne anzuhalten, vorbeizogen, und eines einsamen Wirtshauses am Wege, in dem sie etwas Brot
und Käse genossen – nirgends hin; es war schon spät am Nachmittag, aber noch immer erstreckte sich in unendliche Ferne derselbe öde, mühsame Weg mit seinen vielen Windungen, den sie bereits den ganzen Tag verfolgten. Es blieb ihnen jedoch keine andere Wahl, als weiterzugehen, was sie denn auch taten, freilich mit langsameren Schritten, da sie sehr müde und erschöpft waren.
Der Nachmittag war in einen schönen Abend übergegangen, als sie an einem Punkte anlangten, an dem der Weg eine scharfe Wendung machte und quer über ein Gemeindeland führte. Am Rande desselben und dicht an dem Gehege, das diesen Grund von den bebauten Feldern trennte, hatte ein Karawanenwagen haltgemacht, auf den sie infolge der plötzlichen Biegung der Straße so unerwartet stießen, daß sie ihm nicht hätten ausweichen können, auch wenn es ihre Absicht gewesen wäre.
Es war kein schäbiger, schmutziger, staubiger Karren, sondern ein hübsches kleines Haus auf Rädern, mit weißen Köpervorhängen, die die Fenster einrahmten, und Jalousien, deren grüne Grundfarbe mit grellroten Feldern wechselte – ein glücklicher Farbenkontrast, in dem auch das übrige Fuhrwerk prunkte. Der Wagen wurde nicht armselig von einem einzelnen Esel oder einem ausgehungerten Gaul gezogen, sondern ein paar sehr gut genährte Pferde standen daneben ausgespannt und zupften das staubige Gras ab. Ebensowenig war es eine Zigeunerkarawane, denn an der offenen Tür, die sich eines blanken Messingklopfers erfreuen durfte, saß eine christliche Dame, wohlbeleibt und gemütlich anzusehen, die einen großen, mit Schleifen überladenen Hut trug. Und daß die Karawane gehörig mit Vorräten versehen war, erkannte man an der Tätigkeit der Dame, die sich der angenehmen und erfrischenden Beschäftigung des Teetrinkens hingab. Das Teege
schirr, neben dem auch eine höchst verdächtig aussehende Flasche und ein Eisbein zu sehen waren, stand auf einer mit einem Tellertuch bedeckten Trommel; und da saß, wie an dem bequemsten runden Tische in der ganzen Welt, diese wandernde Dame, trank ihren Tee und genoß die schöne Aussicht.
Da die Karawanendame in diesem Augenblick zufälligerweise ihre Tasse, die, um mit dem ganzen Äußeren der Dame im Einklang zu stehen, über einen ziemlichen Umfang verfügte, an die Lippen führte und ihre Augen voll Entzücken über den duftenden Tee, der vielleicht einer kleinen Beimischung aus der verdächtigen Flasche nicht entbehrte – wir stellen übrigens hier nur eine Vermutung, keineswegs eine bestimmte Tatsache auf –, gen Himmel richtete, da die Dame also eben in dieser angenehmen Weise beschäftigt war, so bemerkte sie unsere Reisenden bei ihrer ersten Annäherung nicht. Erst als sie im Begriff war, die Tasse niederzusetzen und nach der Anstrengung, die es kostete, den Inhalt verschwinden zu lassen, tief Atem zu schöpfen, gewahrte die Karawanendame einen alten Mann und ein junges Kind, die langsam an ihr vorbeikamen und ihrem Treiben mit bescheidener, aber
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