Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
Muttermal. Ich unterdrücke mein Gefühl, doch du bist meiner Qualen Grund, du, auf mein Wort«, fügte Herr Swiveller bei, indem er sich selbst un
terbrach und gedankenvoll in den Klientenstuhl sank; »ich möchte wissen, wie man sie behandelt!«
    Nachdem sich Herr Swiveller eine Zeitlang mit diesem Gedanken beschäftigt hatte, öffnete er sachte die Bureautür in der Absicht, zu einem Glase milden Porters über die Straße hinüberzuschlüpfen. In diesem Augenblick gewahrte er noch einen Zipfel von Miß Sallys Kopfputz, die eben die Küchentreppe hinunterglitt.
    »Und beim Jupiter!« dachte Dick, »sie geht hin, um der Magd Nahrung zu reichen. Jetzt oder nie!«
    Er blickte zuerst über das Geländer, bis der Kopfputz unten in der Dunkelheit verschwunden war, tappte dann hinab und gelangte an die Tür einer Hinterküche, in die Miß Braß, eine kalte Hammelkeule in der Hand, eben eingetreten war. Es war ein sehr dunkler, erbärmlicher Ort, sehr niedrig, sehr feucht und die Wände durch tausend Risse und Flecken entstellt. Das Wasser rann aus einem lecken Fasse, und eine ausgehungerte Katze leckte die Tropfen mit der krankhaften Gier des Verschmachtens auf. Der weite Rost war so dicht zusammengedreht und geschraubt, daß nur ein kleines, dünnes Butterbrötchen von Feuer darauf Platz hatte. Alles war verschlossen; der Kohlenkeller, die Lichterkiste, die Salzlade, der Fleischschrank, überall ein Marderschloß. Es war nicht so viel da, daß ein Käfer davon hätte frühstücken können. Der verzwickte und magere Anblick des Ortes hätte ein Chamäleon getötet; denn beim ersten Mundvoll würde es gemerkt haben, daß die Luft nicht als Speise dienen könne, und in Verzweiflung hätte es seinen Geist aufgeben müssen. – Die kleine Dienstmagd stand unterwürfig vor Miß Sally und ließ den Kopf hängen.
    »Bist du da?« sprach Miß Sally.
    »Ja, Ma'am«, antwortete die Kleine mit schwacher Stimme.
    »Geh weiter weg von der Hammelkeule, denn ich weiß wohl, du würdest sie annagen«, sagte Miß Sally.
    Das Mädchen zog sich in einen Winkel zurück, während Miß Braß einen Schlüssel aus der Tasche holte, den Speiseschrank öffnete und einen trübseligen Haufen kalter Kartoffeln hervorlangte, die so eßbar wie Steine aussahen. Diese stellte sie der kleinen Magd hin und befahl ihr, sich dazu niederzusetzen; dann ergriff sie ein großes Vorlegmesser und machte gewaltige Anstrengungen, es an der entsprechenden Gabel zu wetzen.
    »Siehst du dies?« fragte Miß Braß, die nach dieser großartigen Einleitung ungefähr zwei Quadratzoll von der Hammelkeule abschnitt und dem Mädchen das winzige Stückchen an der Spitze der Gabel hinhielt.
    Das kleine Mädchen betrachtete den Riesenbrocken mit so gierigen Augen, als ob sie jede Faser daran zählen wollte, und antwortete:
    »Ja.«
    »Dann brauchst du aber nicht immer hinzugehen und zu sagen, daß du hier kein Fleisch erhieltest«, entgegnete Miß Sally. »Da, iß es auf!«
    Dies war bald geschehen.
    »Nun, willst du etwa noch mehr?« fragte Miß Sally.
    Das hungrige Geschöpf hauchte als Erwiderung ein mattes »Nein«. Augenscheinlich handelte es sich dabei um eine feststehende Förmlichkeit.
    »Du hast einmal Fleisch erhalten«, sagte Miß Braß, indem sie die Tatsachen resümierte; »du hast so viel bekommen, wie du essen konntest; man hat dich gefragt, ob du mehr wollest, und du hast mit ›Nein‹ geantwortet; du brauchst also nicht immer hinzugehen und zu sagen, man hält dich kurz; merke dir das!«
    Nach diesen Worten nahm Miß Sally das Fleisch weg, schloß es in den Schrank, trat dann an die Seite des kleinen Dienstmädchens und sah zu, wie es sich über die Kartoffeln hermachte.
    Es war augenscheinlich, daß irgendein außerordentlicher Ärger in Miß Sallys zarter Brust tobte und daß dieser sie veranlaßte, ohne die mindeste sichtbare Ursache das Kind mit der Messerklinge bald auf die Hand, bald auf den Kopf, bald auf den Rücken zu klopfen, als ob sie es für ganz unmöglich hielte, so nahe bei dem armen Geschöpf zu stehen, ohne ihm einige leichte Püffe zu versetzen. Noch größer war aber die Überraschung, als Herr Swiveller sah, wie sein weiblicher Kollege, nachdem er langsam der Tür zugegangen, als wolle er die Küche verlassen und könne es doch nicht recht über sich gewinnen, plötzlich wieder vorwärts stürzte, über die kleine Dienstmagd herfiel und ihr mit geballter Faust einige tüchtige Schläge versetzte. Die arme Dulderin schrie, aber mit so

Weitere Kostenlose Bücher