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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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unterdrückter Stimme, als fürchte sie sich, einen Laut von sich zu geben; und endlich stieg Miß Sally, nachdem sie sich durch eine Prise Schnupftabak beruhigt hatte, die Treppe hinauf, als Richard eben wohlbehalten wieder in dem Bureau angelangt war.

Siebenunddreißigstes Kapitel
    Der ledige Herr hatte unter andern Eigentümlichkeiten – und er besaß deren einen so reichlichen Vorrat, daß er mit jedem Tage ein neues Pröbchen zu liefern vermochte – eine ganz außerordentliche und merkwürdige Vorliebe für die Leistungen des Policinello. Wenn die Stimme dieses Helden aus noch so großer Entfernung Bevis-Marks erreichte, so konnte der ledige Herr, auch wenn er schon im Bette lag und schlief, aufsprin
gen, in seine Kleider schlüpfen und in vollem Galopp dem Platze zueilen, von dem er alsbald an der Spitze einer langen Prozession von Gassenjungen, die das Theater und dessen Eigentümer umringten, zurückkehrte. Die Schaubühne wurde dann ohne alle Umstände vor dem Hause des Herrn Braß aufgestellt; der ledige Herr pflanzte sich an ein Fenster des ersten Stocks, und die Vorstellung begann mit der ganzen aufregenden Begleitung von Pfeife, Trommel und Gejubel, zur unaussprechlichen Bestürzung aller nüchternen Geschäftsleute in jenem ruhigen Stadtteile. Man hätte eigentlich erwarten können, daß nach Beendigung des Stückes sowohl Schauspieler als Auditorium sich zerstreuen würden; aber der Epilog war ebenso schlimm wie das Spiel, denn kaum war der Teufel tot, als der ledige Herr den Puppenlenker nebst seinem Associé auf sein Zimmer einlud, sie dort mit gebranntem Wasser aus seinem Privatvorrat erfrischte und lange Unterredungen mit ihnen hielt, deren Inhalt kein menschliches Wesen zu ergründen vermochte. Das Geheimnis dieser Verhandlungen war jedoch von keiner sonderlichen Wichtigkeit. Es genügt, wenn wir mitteilen, daß während ihres Verlaufs die Masse sich noch immer um das Haus drängte, daß die Gassenjungen die Trommel mit ihren Fäusten bearbeiteten und mit ihren zarten Stimmen die des Policinello nachahmten, daß das Bureaufenster durch angedrückte Nasen verdunkelt und das Schlüsselloch der Haustür durch Augen erhellt wurde und daß jedesmal, sooft sich der ledige Herr oder einer seiner Gäste an den oberen Fenstern blicken oder auch nur das Ende ihrer Nasen sichtbar werden ließen, ein ungeheures Verwünschungsgebrüll von seiten des ausgeschlossenen Haufens erscholl, der fortwährend heulte, zeterte und sich durchaus nicht beruhigen ließ, bis ihm die Gaukler verabfolgt wurden, die er sodann nach einem andern Orte begleitete. Mit einem Worte, es genügt zu wissen,
daß Bevis-Marks durch diese Volksbewegungen revolutioniert wurde und daß Friede und Ruhe aus seinen Mauern wichen.
    Niemand erboste sich mehr über solche Szenen als Herr Sampson Braß, obgleich er es, da er in keinem Falle einen so einträglichen Hausgenossen verlieren mochte, für klug hielt, den Schimpf, den ihm sein Mietsmann antat, mit dessen Gelde einzustreichen und das Publikum, das sich um seine Tür sammelte, durch die ihm zugänglichen, unvollkommenen Vergeltungsmittel zu ärgern. Diese beschränkten sich darauf, aus unsichtbaren Rinnen schmutziges Wasser auf die Köpfe niederträufeln zu lassen, sie vom Dache des Hauses aus mit Bruchstücken von Ziegel und Mörtel zu beschießen und die Mietskutscher zu bestechen, plötzlich um die Ecke zu sausen und blitzschnell in den Haufen zu jagen. Einigen Gedankenlosen dürfte es vielleicht im ersten Augenblick auffallen, daß Herr Braß als ein Mann des Rechts die Partei oder die Parteien nicht wegen Störung der Ruhe gerichtlich belangte; sie werden sich aber vielleicht auch gütigst erinnern, daß Ärzte selten ihre eigenen Rezepte einnehmen und Geistliche nicht immer leben, wie sie predigen; und so scheuen sich auch die Advokaten, sich um ihrer selbst willen mit dem Rechte zu befassen; denn sie wissen wohl, daß es ein scharfes Instrument ist, unsicher in der Anwendung, kostspielig in seinen Wirkungen und auffallender durch seine Fähigkeit, überhaupt zu barbieren, als durch die Kunst, stets die rechte Person zu barbieren.
    »Der Tausend«, sagte Herr Braß eines Nachmittags, »schon zwei Tage ohne Policinello! Ich hoffe, er hat sie bereits alle gehabt.«
    »Warum hoffst du das?« versetzte Miß Sally, »was schaden sie denn dir?«
    »Nun, du bist mir ein feiner Kerl!« rief Braß, indem er verzweifelt die Feder niederlegte. »Ein Plagegeist bist du!«
    »Nun, was schaden

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