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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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sie dir denn?« wiederholte Sally.
    »Was sie schaden!« rief Braß. »Ist es nicht Schaden genug, dieses beständige Gejubel und Gebrüll gerade unter der Nase zu haben, so daß man nichts arbeiten kann und vor Verdruß mit den Zähnen knirschen möchte? Ist es nicht Schaden genug, geblendet und erdrückt zu werden und des Königs Landstraße durch einen Haufen tobender Schreier versperrt zu sehen, die Kehlen von, von …«
    »Erz [ 7 ] haben müssen«, ergänzte Herr Swiveller.
    »Ja! von Erz«, sagte der Advokat, indem er nach seinem Schreiber hinblickte, um sich zu überzeugen, daß er das Wort in voller Unschuld und ohne bösartige Absicht vorgeschlagen habe. »Ist das kein Schaden?«
    Der Rechtsgelehrte unterbrach sich plötzlich in seinem Eifer, horchte einen Augenblick, und als er die wohlbekannte Stimme vernahm, stützte er den Kopf auf seine Hand, erhob die Augen zur Zimmerdecke und murmelte schwach:
    »Da ist wieder einer!«
    In demselben Augenblick öffnete sich das Fenster des ledigen Herrn.
    »Da ist wieder einer«, wiederholte Braß, »und wenn ich einen Wagen nebst vier Vollblutpferden haben könnte, die auf Bevis-Marks hereinstürmten, wo der Haufen am dicksten ist, so wollte ich michs ohne Murren achtzehn Pence kosten lassen.«
    Das ferne Quieken wurde aufs neue gehört. Die Tür des ledigen Herrn sprang auf. Er eilte ungestüm die Treppe hinunter auf die Straße, rannte ohne Hut an dem Fenster vorbei zu der Stelle, von der die Stimme herkam, zweifellos in der Absicht, sich die Dienste der Fremden unverzüglich zu sichern.
    »Ich möchte nur wissen, welcher Familie er angehört«, murmelte Sampson, indem er Akten in seine Tasche stopfte. »Wenn sie nur so eine hübsche kleine Kommission de lunatico nach dem Grays-Inn-Kaffeehaus bescheiden und mir das Geschäft übertragen wollte, so würde ich mich ganz gerne zufriedengeben, die Wohnung eine Weile leer stehen zu lassen.«
    Nach diesen Worten stülpte sich Herr Braß seinen Hut über die Augen, als wolle er sie gegen den Anblick dieser fürchterlichen Gesellschaft sichern, stürzte aus dem Hause und eilte fort.
    Da Herr Swiveller ein entschiedener Freund von solchen Kunstproduktionen war, aus dem einfachen Grunde, weil es noch immer besser ist, dem Policinello zuzusehen oder überhaupt aus dem Fenster zu schauen, als zu arbeiten, und da er aus demselben Grunde sich Mühe gegeben hatte, bei seinem weiblichen Kollegen ein Gefühl für deren Schönheiten und mannigfaltige Verdienste zu wecken, so erhoben er wie auch Miß Sally sich wie aus einem Antriebe und nahmen ihre Stellung an dem Fenster ein. Auf dessen Gesimse hatten sichs indes wie auf einem Ehrenplatz verschiedene junge Damen und Herren, die mit dem langweiligen Geschäfte des Kinderwartens beschäftigt waren und ihre Gegenwart mit ihren jungen Schützlingen bei derartigen Gelegenheiten für unerläßlich betrachteten, so bequem gemacht, als es die Umstände gestatten wollten.
    Da das Glas trübe war, so riß Herr Swiveller infolge der freundlichen Gebräuche, die sich zwischen ihnen entwickelt hatten, das braune Tuch von Miß Sallys Kopf und stäubte damit sorgfältig die Scheiben ab. Als er es wieder zurückgegeben und nachdem die schöne Trägerin es sich wieder umgeschlungen hatte – sie tat dies mit vollkommener Ruhe und Gleichmütigkeit –, kam der Mietsmann mit dem Puppenkasten,
den Puppenspielern und einer Masse von Zuschauern angezogen. Der Figurenlenker verschwand mit aller Hast hinter den Vorhängen, und sein Associé, der sich neben dem Theater aufstellte, betrachtete das Auditorium mit einem seltsamen Ausdrucke von Melancholie, der noch seltsamer wurde, als er in jenes zarte musikalische Instrument, das man volkstümlich eine Röhrenpfeife zu nennen pflegt, eine Tanzmelodie hauchte, ohne daß sich dabei die Trauerphysiognomie der obern Gesichtsteile verlor, obgleich Mund und Kinn notwendigerweise in lebhaften Krämpfen begriffen waren.
    Das Drama ging zu Ende, die Zuschauer wie gewöhnlich bis zum Schlusse in der gehörigen Spannung erhaltend. Die freudige Stimmung, die immer in großen Versammlungen aufflammt, wenn die Menschen aus einem Zustande atemloser Aufmerksamkeit erlöst sind und wieder frei sprechen und sich bewegen dürfen, hatte noch nicht nachgelassen, als der Mietsmann wie gewöhnlich die Männer auf sein Zimmer einlud. »Alle beide!« rief er von seinem Fenster hinunter; denn nur der wirkliche Puppenspieler, ein kleiner fetter Mann, schickte sich an, der

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