Der Raritätenladen
aber beide frühzeitig auf, hatten wenig Appetit zum Frühstück und
noch weniger zum Mittagessen und waren in einem Zustande höchster Aufregung, als Barbaras Mutter mit ganz erstaunlichen Berichten über die Schönheit des Wetters draußen angerückt kam – trotzdem aber den großen Regenschirm mitbrachte; denn Leute wie Barbaras Mutter machen selten ohne ein solches Möbel Feiertagsausflüge –, und als sie durch das Klingeln aufgefordert wurden, hinaufzugehen und ihr Vierteljahrsgehalt in Gold und Silber einzustreichen.
Nun, war es nicht recht freundlich von Herrn Garland, als er sagte: »Christoph, da ist dein Geld, du hast es wohl verdient«? Und war es nicht sehr gütig von Madame Garland: »Barbara, da hat Sie das Ihrige, und ich bin sehr wohl mit Ihr zufrieden«? Und unterzeichnete Kit nicht die Quittung mit kühnen Zügen, und zitterte nicht Barbara an allen Gliedern, als sie ihren Namen unterschrieb? Und war es nicht schön, mit anzusehen, wie Madame Garland Barbaras Mutter ein Glas Wein einschenkte? Und sprach nicht Barbaras Mutter großartig, als sie sagte: »Gottes Segen über Sie, Madame, Sie sind eine gute Dame, und über Sie, Sir, Sie sind ein guter Herr; und dir, Barbara, meine Liebe, und auch Ihnen, Herr Christoph«? Und trank sie nicht so lange an ihrem Glas, als wäre es ein ganzer Humpen gewesen? Und sah sie nicht ganz vornehm aus, wie sie so mit ihren Handschuhen dastand? Und lachten und plauderten sie nicht unaufhörlich, als sie sich oben auf der Kutsche wieder an alles erinnerten? Und bemitleideten sie nicht alle die Leute, die keinen Feiertag hatten?
Aber erst Kits Mutter; würde nicht jedermann geglaubt haben, sie stamme aus einem vornehmen Hause und sei ihr ganzes Leben lang eine Dame gewesen? Da war sie im vollen Empfangsputz und hatte ein Teeservice bereitgestellt, das das Herz eines Porzellanladens hätte erwärmen können; und der kleine
Jakob und das kleinste Brüderlein waren die Vollkommenheit selbst, so daß ihre Kleider so gut wie neu aussahen, obgleich sie weiß der Himmel alt genug waren. Sagte nicht Kits Mutter, ehe noch alle fünf Minuten gesessen hatten, Barbaras Mutter sei genau die Frau, die sie zu sehen erwartete? Und sagte nicht Barbaras Mutter, Kits Mutter wäre bis auf ein I-Tüpfelchen so, wie sie sich dieselbe vorgestellt hätte? Und machte nicht Kits Mutter Barbaras Mutter Komplimente über Barbara? Und bekomplimentierte nicht Barbaras Mutter Kits Mutter wegen Kit? Und war nicht Barbara selbst ganz bezaubert von dem kleinen Jakob? Und konnte je ein Kind so lieb sein, wenn man es gerade wollte, konnte es sich so viel Freunde erwerben wie er?
»Auch sind wir beide Witwen«, sagte Barbaras Mutter. »Wir müssen dazu geboren sein, miteinander bekannt zu werden.«
»Ich zweifle ganz und gar nicht daran«, entgegnete Frau Nubbles. »Und wie schade ist es, daß wir uns nicht schon früher kennenlernten!«
»Ja, sehen Sie, dann ist es aber wieder eine Riesenfreude«, sagte Barbaras Mutter, »wenn man so durch einen Sohn und eine Tochter zusammengebracht wird; das macht alles wieder gut, oder nicht?«
Kits Mutter pflichtete aus vollem Herzen bei. Und da sie nun ihre Bekanntschaft bis auf deren Ursache zurückverfolgten, so kamen sie ganz natürlich auf ihre verstorbenen Männer zu sprechen, über deren Ableben, Sterben und Begräbnis sie Vergleiche anstellten und dabei verschiedene Umstände entdeckten, die nicht wundervoller hätten zusammenpassen können. So war zum Beispiel Barbaras Vater genau vier Jahre und zehn Monate älter als Kits Vater gewesen, der eine war an einem Mittwoch, der andere an einem Donnerstag gestorben. Beide hatten eine schöne Gestalt und waren außerordentlich
hübsch gewesen, und so traf noch manches andere in ganz erstaunlicher Weise zu. Da diese Rückerinnerungen wohl geeignet waren, einen Schatten auf die Freuden des Feiertags zu werfen, so lenkte Kit die Unterhaltung auf allgemeinere Gegenstände, und sie waren bald wieder so heiter und lebhaft wie zuvor. Unter anderm erzählte Kit auch von seinem früheren Dienst und von Nells außerordentlicher Schönheit, über die er zu Barbara schon tausendmal gesprochen hatte; aber der letztgenannte Umstand interessierte Kits Zuhörer lange nicht in dem Umfange, als er erwartet hatte, und selbst seine Mutter sagte, indem sie gleichzeitig wie zufällig auf Barbara blickte, daß Miß Nell gewiß sehr hübsch, aber doch nur ein Kind sei, und daß es noch viele Frauenzimmer gäbe, die ebenso hübsch
Weitere Kostenlose Bücher