Der Raritätenladen
gab nie ein behaglicheres Abendessen, und als Kit gar zum Schluß ein Glas heißes Gebräu befahl, und ehe er es die Runde machen ließ, Herrn und Madame Garlands Gesundheit ausbrachte, da gab es auf der ganzen Welt keine seligeren Leute als diese sechs.
Aber alles Glück nimmt ein Ende, weshalb man sich auch seiner Wiederkehr so sehr freut; und da es nun schon ziemlich spät war, so kam man überein, daß es Zeit sei, die Gesichter heimwärts zu kehren. Nachdem sie einen kleinen Umweg gemacht hatten, um Barbara und deren Mutter nach der Wohnung einer Bekannten sicher zu geleiten, bei der diese die Nacht zubringen wollten, nahmen Kit und seine Mutter Abschied von ihnen. Zuvor wurde noch verabredet, daß Kit und Barbara sich zeitig am nächsten Morgen in Finchley einstellen sollten, und dabei wurden große Entwürfe für die Belustigungen des nächsten Quartaltages geplant. Dann nahm Kit den kleinen Jakob auf den Rücken, gab seiner Mutter den Arm und dem kleinsten Brüderlein einen Kuß, und so trabten sie lustig ihrem Hause zu.
Vierzigstes Kapitel
Mit jenem unbestimmten Gefühl von Reue, das Feiertage gewöhnlich am nächsten Morgen wecken, stand Kit mit der Sonne auf und begab sich zu dem verabredeten Platz, an dem er Barbara und ihre Mutter treffen sollte, etwas erschüttert in sei
nem Glauben an die Belustigungen des letzten Abends durch den nüchternen Anblick des Tages und die Rückkehr zu den täglichen Pflichten seines Dienstes. Um niemand von der kleinen Familie, die von ihren ungewöhnlichen Strapazen ausruhte, zu wecken, legte Kit sein Geld auf den Kaminsims, schrieb, damit seine Mutter aufmerksam werde, mit Kreide ein paar Worte, die ihr mitteilten, daß diese Summe von ihrem dankbaren Sohne herrühre, und ging mit einem Herzen, das schwerer war als seine Taschen, seines Weges, war aber trotzdem nicht besonders bedrückt.
Ach, diese Feiertage! Warum hinterlassen sie uns immer etwas Reue? Warum können wir sie in unserm Gedächtnis nicht um eine Woche oder gar zwei zurückschieben, so daß sie mit einem Male in der geeigneten Entfernung stehen, in der man sie entweder mit ruhiger Gleichgültigkeit oder mit dem angenehmen Gefühl der Erinnerung betrachten kann? Warum kleben sie an uns wie der Duft des gestern genossenen Weines mit ihrem Kopfweh, ihrer Schlaffheit und ihren guten Vorsätzen für die Zukunft, die im Geiste das ewige Pflaster eines großen Reiches bilden und in Wirklichkeit nicht länger als bis zum Mittagessen dauern?
Wen wird es wundernehmen, daß Barbara Kopfweh hatte oder daß Barbaras Mutter schlecht aufgelegt war oder daß sie Astleys Theater ein wenig unterschätzte und glaubte, der Clown wäre älter, als sie gestern abend gedacht habe? Kit wenigstens wunderte sich nicht darüber, er nicht. Er hatte bereits eine trübe Ahnung, daß die unbeständigen Helden jenes blendenden Traumgesichts genau dasselbe bereits den vorhergehenden Abend gespielt hätten und heute und morgen und wochen- und monatelang noch spielen würden, selbst ohne ihn. Dies ist der Unterschied zwischen gestern und heute. Wir alle gehen entweder in das Theater oder kommen aus ihm heraus.
Aber schließlich ist auch die Sonne nur schwach beim Aufgehen und sammelt erst Mut und Kraft im Laufe des Tages. Allmählich fingen sie an, sich der Begebenheiten in einem erfreulicheren Lichte zu erinnern, bis sie endlich unter Plaudern und Lachen in so guter Laune in Finchley anlangten, daß Barbaras Mutter erklärte, sie sei nie frischer und besser gelaunt gewesen als eben jetzt; und Kit war derselben Meinung. Barbara war auf dem ganzen Wege sehr schweigsam gewesen, behauptete das aber auch. Die arme kleine Barbara! Sie war sehr still.
Sie kamen so zeitig nach Hause, daß Kit bereits das Pony gestriegelt und wie ein Rennpferd herausgeputzt hatte, ehe noch Herr Garland zum Frühstück herunterkam; die Pünktlichkeit und dieser Fleiß wurden von der alten Dame, dem alten Herrn und Herrn Abel sehr gerühmt. Zu seiner gewohnten Stunde – oder vielmehr zu seiner gewohnten Minute und Sekunde, denn Herr Abel war die Pünktlichkeit selber – ging der junge Herr fort, um unterwegs in die Post nach London einzusteigen, und Kit begab sich mit dem alten Herrn in den Garten, um daselbst zu arbeiten.
Dies war für Kit nicht gerade die unangenehmste Beschäftigung. An schönen Tagen bildeten sie gleichsam eine Familie: die alte Dame saß ganz in der Nähe an einem Tischchen mit ihrem Arbeitskorb, der alte Herr schaufelte, beschnitt die
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