Der Raritätenladen
größte Unrecht und täuschest dich selbst. Laß dich also, bitte, nicht täuschen und vertraue meiner Versicherung!
Die Sache ist nämlich die«, fügte er hinzu, indem er sich abermals an den Notar und dessen Zögling wandte, »daß ich mich in einer peinlichen und unerwarteten Lage befinde. Ich kam in diese Stadt mit einem Lieblingswunsche im Herzen und dachte nie, daß seiner Erfüllung Hindernisse und Schwierigkeiten in den Weg treten könnten. Aber jetzt finde ich mich plötzlich in der Ausführung meines Planes durch ein Geheimnis behindert und aufgehalten, das ich nicht durchdringen kann. Was ich auch versuchen mochte, alles diente nur dazu, es noch dunkler und verwirrter zu machen, und ich scheue mich, meine Nachforschungen öffentlich zu betreiben, damit nicht diejenigen, denen ich ängstlich folge, noch weiter vor mir fliehen. Ich gebe Ihnen mein Wort: wenn Sie wüßten, wie notwendig ich Ihre Hilfe brauche und von welcher Last ich befreit wäre, Sie würden es nie bedauern, mir geholfen zu haben, falls es in Ihrer Macht steht.«
Es lag eine merkwürdige Schlichtheit in diesem Vertrauen, die ein rasches Echo in der Brust des gutmütigen Notars fand. Er erwiderte daher in derselben einfachen Weise, daß der Fremde mit seinem Anliegen an die rechten Leute gekommen sei und daß er selbst gern zu allem bereit wäre, was in seinen Kräften stände.
Kit wurde sofort ins Verhör genommen und von dem unbekannten Herrn über alles ausgefragt, was seinen alten Herrn und das Kind betraf, über deren einsame Lebensweise, Gewohnheiten und strenge Zurückgezogenheit. Die nächtlichen Ausgänge des alten Mannes, das Alleinsein des Kindes während dieser Zeit, seine Krankheit und Wiedergenesung, Quilps Besitznahme von dem Hause und ihr plötzliches Verschwinden gaben Veranlassung zu einer Reihe von Fragen und Antworten. Endlich teilte Kit dem Herrn mit, das Anwesen sei jetzt zu vermieten, und ein Brett an der Tür verweise alle Nachfragenden an Herrn Sampson Braß, Advokat zu Bevis-Marks, von dem sich vielleicht weitere Einzelheiten erfahren ließen.
»Fragen wird da nichts helfen«, sagte der Herr den Kopf schüttelnd, »ich wohne dort.«
»Wie, Sie wohnen bei Braß, dem Advokaten?« rief Herr Witherden einigermaßen überrascht, denn er kannte den fragwürdigen Ehrenmann aus seinem Geschäftsverkehr.
»Ja«, lautete die Antwort. »Ich habe mich neulich bei ihm einquartiert, hauptsächlich, weil mir jenes Brett zu Gesicht gekommen war. Ich mache mir wenig daraus, wo ich wohne, und ich hegte die verzweifelte Hoffnung, es möchte mir dort zufällig eine Auskunft in den Weg kommen, die mich anderswo nicht erreichen könnte. Ja, ich wohne bei Braß; Sie meinen vermutlich, desto mehr Schande für mich.«
»Das ist bloß Ansichtssache«, sagte der Notar achselzuckend, »man betrachtet ihn als einen ziemlich zweifelhaften Charakter.«
»Zweifelhaft?« wiederholte der andere. »Es freut mich zu hören, daß da noch jemand zweifeln kann; denn ich meinte, man müsse hierüber längst im klaren sein. Wollen Sie mir aber erlauben, ein paar Worte mit Ihnen im Vertrauen zu sprechen?«
Da Herr Witherden einwilligte, so begaben sie sich in ein Nebenkabinett und blieben dort etwa eine Viertelstunde in eifrigem Gespräch, worauf sie wieder in das Bureau zurückkehrten. Der Fremde hatte seinen Hut in Herrn Witherdens Zimmer gelassen und schien sich in dieser kurzen Zeit mit ihm auf einen ganz freundschaftlichen Fuß gestellt zu haben.
»Ich will dich nicht länger zurückhalten«, sagte er, indem er mit einem Blick auf den Notar Kit eine Krone in die Hand drückte. »Du sollst weiter von mir hören. Aber merke wohl, du sagst keinem andern Menschen etwas von dem Vorgefallenen, als deiner Herrschaft.«
»Aber die Mutter, Sir, würde sich freuen, wenn …«, stotterte Kit.
»Worüber freuen?«
»Wenn sie etwas erführe, das heißt, wenn es etwas Gutes ist, von Miß Nell.«
»Wirklich? Wohlan denn, so magst du ihrs sagen, wenn sie ein Geheimnis bewahren kann. Aber merke dirs: kein Wort von alldem zu sonst jemandem. Vergiß das nicht! Sei vorsichtig!«
»Ich will mich in acht nehmen, Sir«, entgegnete Kit. »Danke, Sir, und guten Morgen!«
Nun traf es sich aber, daß der Herr in seinem Eifer, es Kit recht nachdrücklich ans Herz zu legen, daß er von dem zwischen ihnen Vorgefallenen nichts ausplaudere, dem Jungen zur Tür hinaus folgte, um ihm die Vorsichtsmaßregeln noch einmal einzuschärfen; und ferner traf sichs, daß in
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