Der Raritätenladen
Ihr wollt, Sir, aber mich laßt gefällig ungeschoren!«
Mit diesen Worten marschierte Kit aus der Kapelle; seine Mutter und der kleine Jakob folgten ihm auf der Ferse, und als er draußen war, da erinnerte er sich dunkel an die Leute, die aufgewacht waren und ihn erstaunt angesehen hatten, und
an Quilp, der während der Störung in seiner früheren Stellung sitzengeblieben war, seine Augen nicht von der Decke verwandte und aussah, als ob er nicht die mindeste Notiz nähme von dem, was da vorging.
»Ach, Kit«, sagte seine Mutter, indem sie das Schnupftuch vor die Augen hielt, »was hast du getan! Ich kann nie, nie wieder hierherkommen!«
»Das freut mich, Mutter. Was war in dem bißchen Vergnügen von gestern abend Arges, daß Ihr nötig habt, heute so niedergeschlagen und bekümmert zu sein? Aber so macht Ihrs! Wenn Ihr einmal vergnügt und glücklich seid, so kommt Ihr hierher, noch dazu mit diesem kleinen Kerl da und sagt, daß Ihr es bereut. Ihr solltet Euch schämen, Mutter, möchte ich sagen!«
»Still, still, Lieber!« versetzte Frau Nubbles. »Doch ich weiß wohl, daß du's nicht so meinst, wie es herauskommt; aber das ist ein sündhaftes Gerede.«
»Nicht so meine? Freilich meine ichs so!« entgegnete Kit. »Ich glaube nicht, Mutter, daß eine unschuldige Freude und ein heiterer Sinn im Himmel für größere Sünden angesehen werden als Hemdkragen und daß diese Kerls da genau so richtig und vernünftig handeln, wenn sie das eine unterdrücken, als wenn sie das andere ablegen. Doch ich will nichts mehr davon sagen, wenn Ihr mir versprechen wollt, nicht zu weinen; das ist alles. Ihr könnt auch den Kleinen nehmen, der leichter ist, und mir den Jakob geben; und im Gehen – was wir aber rasch tun müssen – will ich Euch meine Neuigkeit mitteilen, über die Ihr Euch ein bißchen verwundern werdet, kann ich Euch sagen. So, jetzt ists recht. Nun seht Ihr doch wieder aus, als ob Ihr Klein-Bethel in Eurem Leben nie erblickt hättet, und ich hoffe, Ihr werdets auch nie wieder. Da habt Ihr das Kind, und du, kleiner Jakob, steige auf meinen Rücken
und halte dich fest an meinem Hals; und wenn wieder ein Klein-Bethel-Pfarrer dich oder deinen Bruder ein köstliches Lamm nennt, so sage ihm, er habe da in zwölf Monaten das wahrste Wort gesprochen, und wenn er selber ein bißchen lammähnlicher und weniger pfefferminzig sein könnte, nicht gar so scharf und sauer, dann würde er mir um so besser gefallen. Das kannst du ihm ausrichten, Jakob.«
Und indem er so fortplauderte, teils ernst, teils lustig, seine Mutter, die Kinder und sich selbst heiter stimmte, nur weil er einfach fest entschlossen war, guter Laune zu bleiben, führte Kit die kleine Gesellschaft rasch weiter. Und auf dem Wege berichtete er auch, was in des Notars Hause vorgefallen war und warum er sich in das Heiligtum von Klein-Bethel eingedrängt hatte.
Seine Mutter war nicht wenig entsetzt, als sie vernahm, was von ihr verlangt wurde, und im Nu schossen ihr hundert Gedanken wirr durch den Kopf, von denen sich ihr besonders zwei aufdrängten: daß es erstens eine große Ehre sei, in einer Postchaise zu fahren, zweitens aber auch eine moralische Unmöglichkeit, die Kinder zurückzulassen. Aber diese Einwände und viele andere, zum Beispiel, daß gewisse Kleidungsstücke in der Wäsche wären und daß andere sich in der Garderobe der Frau Nubbles gar nicht vorfänden, schnitt Kit kurz ab, indem er jedem einzelnen das Vergnügen entgegenhielt, das es ihr gewähren würde, Nell aufzufinden, und die Freude, die sie daran hätte, Nell im Triumph zurückzubringen.
»Aber wir haben nur noch zehn Minuten, Mutter«, sagte Kit, als sie das Haus erreicht hatten. »Da ist eine Schachtel. Werft hinein, was Ihr braucht, daß wir gleich fortkönnen!«
Zu berichten, wie Kit alles mögliche, was auch nicht im geringsten zu brauchen war, in die Schachtel stopfte und wie er die allernotwendigsten Dinge liegenließ; wie eine Nachbarin
beredet wurde, herüberzukommen und bei den Kindern zu bleiben, und wie die Kinder anfangs erbärmlich schrien und dann herzlich lachten, als man ihnen alle Arten unmöglicher und unerhörter Spielsachen versprach; wie Kits Mutter nicht aufhören wollte, sie zu küssen, und wie Kit nicht imstande war, sich deshalb zu ärgern, würde mehr Raum und Zeit wegnehmen, als wir übrig haben. Und so, über alles dies hinweggehend, genügt es, wenn wir sagen, daß ein paar Minuten nach den versprochenen zwei Stunden Kit und seine Mutter an der
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