Der Raritätenladen
alles an ihm wie ein schielendes Auge verdreht schien, »er hats nicht gemeint so böse.«
»Ihr macht mich arm, plündert mich aus und treibt noch obendrein euern Spott und Scherz mit mir«, sagte der alte Mann, indem er sich von dem einen zum andern wandte. »Ich werde noch wahnsinnig unter euch!«
Die vollkommene Schwäche und Unschlüssigkeit des grauhaarigen Kindes im Gegensatz zu dem frechen und listigen Aussehen derjenigen, in deren Händen er sich befand, schnitten der kleinen Horcherin tief ins Herz. Aber sie bezwang sich, um auf alles, was vorging, achten und auf jeden Blick, auf jedes Wort merken zu können.
»Zum Teufel mit Euch, was wollt Ihr damit sagen?« rief der stämmige Mann, indem er sich ein wenig auf dem Ellbogen aufrichtete. »Euch arm machen? Ihr würdet uns arm machen, wenn Ihr könntet, oder etwa nicht? Aber so macht ihrs, ihr winselnden, stümperhaften und erbärmlichen Spieler! Wenn ihr verliert, so seid ihr die armen Märtyrer; ich habe aber nie finden können, daß ihr, wenn ihr gewinnt, einen andern Verlierenden in dem gleichen Lichte betrachtet hättet. Und was das Ausplündern anlangt!« rief der Kerl, indem er seine Stim
me erhob, »verdammt noch einmal, was meint Ihr mit einem so gemeinen Wort wie plündern, he?«
Der Specher legte sich wieder der vollen Länge nach nieder und stieß ein- oder zweimal zornig mit den Beinen um sich, als wollte er seine unbegrenzte Entrüstung noch mehr bekräftigen. Es war klar und es hätte jedem andern, nur nicht dem schwachen alten Mann in die Augen fallen müssen, daß er den Raufbold und sein Freund den Friedensrichter spielte, unstreitig zu irgendeinem besondern Zwecke; denn sie tauschten untereinander und mit dem Zigeuner ganz unverhohlen Blicke, und dieser grinste beifällig über den Spaß, daß man seine weißen Zähne blitzen sah.
Der alte Mann stand eine kleine Weile hilflos unter ihnen und sagte dann zu seinem Angreifer:
»Ihr habt eben selbst erst vom Ausplündern gesprochen, wie Ihr wißt. Seid nicht so heftig mit mir. Ihr spracht davon, oder nicht?«
»Nichts von Ausplündern in dieser Gesellschaft hier! Es herrscht Ehrenhaftigkeit unter – unter Gentlemen, Sir«, entgegnete der andere, der, wie es schien, nahe daran gewesen war, seinen Satz etwas ungeschickt mit ›Schelmen‹ zu schließen.
»Seid nicht hart gegen ihn, Jowl!« sagte Isaak List. »Es tut ihm leid, wenn er hat Anstoß gegeben. Nun fahrt fort mit dem, was Ihr sagen wolltet, fahrt fort!«
»Ich bin ein gutmütiges, weichherziges altes Schaf«, rief Herr Jowl, »daß ich in meinen Jahren so dasitze und Rat erteile, wenn ich doch weiß, daß er nicht angenommen wird und ich nur noch den Schimpf für meine Mühe habe. Aber so hab ichs mein Leben lang gehalten. Die Erfahrung ist nie imstande gewesen, mein warmes Herz zu erkalten.«
»Ich sage Euch, es tut ihm sehr leid, oder etwa nicht?« wandte Isaak List ein; »und er wünscht, daß Ihr fortfahrt.«
»Wünscht er das wirklich?« versetzte der andere.
»Ach!« stöhnte der alte Mann, indem er sich niederließ und sich hin und her wiegte. »Weiter, weiter. Es ist umsonst, sich dagegen zu wehren; ich kanns nicht. Weiter!«
»Wohlan denn«, entgegnete Jowl, »so will ich fortfahren, wo ich stehengeblieben bin, als Ihr so rasch auf die Beine sprangt. Wenn Ihr überzeugt seid, daß Euer Glück eine Wendung nehmen muß, wie dies auch gewiß der Fall ist, und Ihr findet, daß Ihr nicht Mittel genug habt, es zu versuchen – und da liegt auch der Hase im Pfeffer; denn Ihr wißt ja selbst, daß Ihr nie Geld genug habt, bei einer Spielsitzung lange genug auszuhalten –, so verhelft Euch zu dem, was Euch scheinbar absichtlich in den Weg gelegt ist. Borgt es, sage ich, und wenn Ihr könnt, dann zahlt es zurück!«
»Natürlich«, fiel Isaak List ein; »wenn die gute Dame, die das Wachsfigurenkabinett leitet, Geld hat und es beim Zubettgehen in eine Blechdose tut, ohne daß sie verschließt die Tür, weil sie sich fürchtet vorm Feuer, so scheint es zu sein ein ganz leichtes Ding, möchte sagen eigentlich ein Wink der Vorsehung, wenn ich nicht wär so religiös erzogen.«
»Seht Ihr, Isaak«, sagte sein Freund, indem er immer eifriger wurde und sich näher an den alten Mann machte, zugleich aber auch dem Zigeuner zuwinkte, sich nicht hineinzumischen, »seht Ihr, Isaak, Fremde gehen zu jeder Stunde des Tages aus und ein. Nichts würde wahrscheinlicher sein, als daß sich einer dieser Fremden unter dem Bett der guten
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