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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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ärmlichen Wohnung seiner Mutter näherte, »und wenn ich sie nicht finden kann? Nun, da würde mir der ungeduldige Herr schön kommen! Richtig, da ist kein Licht und die Tür verschlossen. Gott verzeihe mir, daß ich so rede, aber wenn je
nes Klein-Bethel daran schuld ist, so wollte ich, daß Klein-Bethel beim … weiter weg wäre«, sagte Kit, sich plötzlich unterbrechend, indem er zugleich an die Tür pochte.
    Auch beim zweiten Pochen rührte sich nichts im Hause; dagegen sah eine Frau über der Straße drüben aus dem Fenster und fragte, wer zu Frau Nubbles wolle.
    »Ich!« antwortete Kit, »sie ist vermutlich in – in Klein-Bethel?« Der Name des ihm verhaßten Versammlungsortes kam nur mit Widerstreben über seine Lippen, und in seiner Stimme lag ein verächtlicher Klang.
    Die Nachbarin nickte bejahend.
    »Dann, bitte, sagen Sie mir, wo das ist«, fuhr Kit fort, »denn es handelt sich um eine eilige Sache, und ich müßte sie herausholen, selbst wenn sie auf der Kanzel stände.«
    Es war nicht sonderlich leicht, einen genauen Weg zu der fraglichen Gemeinde zu erfahren, da niemand aus der Nachbarschaft zu der dortigen Herde gehörte, und nur wenige wußten etwas mehr von ihr als den bloßen Namen. Endlich erteilte eine Nachbarin von Frau Nubbles, welche sie ein- oder zweimal zu der Kapelle begleitet hatte, nachdem der Andacht ein behagliches Täßchen Tee vorangeschickt worden war, die nötige Auskunft, und Kit hatte sie kaum gehört, als er auch sogleich aufbrach. Klein-Bethel hätte näher liegen und auf geraderem Wege zugänglich sein können, obgleich in diesem Falle der ehrwürdige Vater, der der Gemeinde vorstand, seiner Lieblingsanspielung auf die krummen Wege, auf denen man zu ihm gelangte, verlustig gegangen und so außerstande gewesen wäre, die Kapelle mit dem Paradies zu vergleichen, im Gegensatz zu der Pfarrkirche, zu der die breite Straße führte. Kit fand sich endlich nicht ohne Mühe zurecht, blieb an der Tür stehen, um Atem zu holen, damit er mit gebührendem Anstand eintreten könne, und ging in die Kapelle.
    Der Name war in einer Hinsicht nicht unpassend gewäht, denn es war in der Tat ein ungemein kleines Bethel, ein Bethel von den kleinsten Dimensionen, mit einer kleinen Anzahl kleiner Kirchenstühle und einer kleinen Kanzel, auf der ein kleiner Herr – von Profession ein Schuhmacher, dem Berufe nach aber ein Diener Gottes – mit durchaus nicht kleiner Stimme eine gar nicht kleine Predigt hielt, wenn man nämlich von dem Zustand seines Auditoriums auf den Umfang der Predigt schließen durfte; denn wenn die Zuhörerschaft von vornherein schon klein war, so umfaßte sie eine noch kleinere Zahl von Hörern, da die Mehrzahl schlummerte.
    Unter diesen war Kits Mutter, der es äußerst schwergefallen war, nach den Anstrengungen der letzten Nacht die Augen offenzuhalten, und da ihre Neigung, sie zu schließen, durch die Auseinandersetzungen des Predigers noch kräftig unterstützt wurde, so hatte sie der sie übermannenden Schlaftrunkenheit nachgegeben und war eingenickt; sie schlief aber doch nicht so fest, daß sie nicht von Zeit zu Zeit ein leichtes und fast unhörbares Stöhnen gleichsam als Anerkennung der Sätze des Redners hätte ausstoßen können. Der jüngste Nubbles schlief in ihren Armen so fest wie sie selber; und der kleine Jakob, den seine Jugend hinderte, in dieser ausgedehnten geistigen Speisung irgend etwas zu finden, das halb so interessant wäre wie Austern, schlief und wachte abwechselnd, je nachdem die Neigung zum Schlummer oder die Furcht, persönlich in der Predigt erwähnt zu werden, die Oberhand über ihn gewann.
    »Nun, hier wäre ich einmal«, dachte Kit, indem er in den nächsten, seiner Mutter gegenüberstehenden leeren Stuhl auf der andern Seite des Mittelganges schlüpfte; »aber wie soll ich an sie herankommen oder sie bereden, daß sie hinausgeht? Ich könnte ebensogut zwanzig Meilen weit sein. Sie wird nicht er
wachen, bis alles vorüber ist. Und da schlägt die Uhr schon wieder! Wenn er nur eine Minute aufhören wollte oder wenn man zu singen anfinge!«
    Aber da war wenig Hoffnung, daß eins von beiden sich in den nächsten Stunden ereignen würde. Der Prediger sprach von den göttlichen Dingen, von denen er sie noch vor Schluß der Predigt überzeugen wollte; und es war klar, daß es zum mindesten noch stundenlang dauern würde, wenn er auch nur die Hälfte von dem hielt, was er versprach, und die andere Hälfte vergaß.
    Kit ließ in seiner Unruhe und

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