Der Raritätenladen
Verzweiflung die Augen in der Kapelle umherschweifen, und als sie zufällig auf einen kleinen Sitz vor dem Pulte des Küsters fielen, konnte er ihnen kaum trauen, als sie ihm – Quilp zeigten!
Er rieb sich die Augen zwei- oder dreimal, aber sie bestanden darauf, Quilp sei dort. Und so war es auch wirklich; da saß er auf einem kleinen, hölzernen Sitz, die Hände, zwischen denen der Hut lag, auf die Knie gestützt, das gewohnte Grinsen auf seinem schmutzigen Gesicht und die Blicke an die Decke geheftet. Jedenfalls sah er nicht auf Kit oder seine Mutter und schien überhaupt nichts von deren Anwesenheit zu ahnen; trotzdem hatte Kit gleich das bestimmte Gefühl, daß die Aufmerksamkeit des verschmitzten kleinen Teufels auf niemand anders als auf sie gerichtet sei.
So erstaunt er aber auch über die Erscheinung des Zwerges unter den Klein-Betheliten war und so wenig er sich der bösen Ahnung erwehren konnte, sie sei der Vorbote irgendeines Unheils oder eines Verdrusses, so mußte er doch seine Verwunderung unterdrücken und zu tätigen Maßregeln seine Zuflucht nehmen, um seine Mutter fortzubringen, denn der Abend kam heran und die Sache wurde ernsthaft. Sobald daher der kleine Jakob das nächstemal erwachte, schickte sich Kit an,
dessen unstete Blicke auf sich zu lenken, und da dies keinerlei Schwierigkeiten machte – ein einziges Niesen genügte –, so gab er ihm durch Zeichen zu verstehen, er möge die Mutter wecken. Unglücklicherweise lehnte sich jedoch in demselben Augenblick der Prediger gelegentlich der kräftigen Auseinandersetzung eines Hauptpunktes seiner Rede so weit über das Kanzelpult, daß kaum mehr als die Beine sich innen befanden; und während er, mit der Linken sich festhaltend, heftige Gestikulationen mit seiner rechten Hand machte, stierte er oder schien er gerade in die Augen des kleinen Jakob zu stieren und drohte ihm durch Blick und Haltung – so kam es wenigstens dem Kinde vor –, daß der kleine Jakob Angst bekam, der Prediger würde buchstäblich, nicht im figürlichen Sinne über ihn ›herfallen‹, wenn er nur mit einem Muskel zuckte. In diesem schrecklichen Zustande der Dinge, verwirrt durch Kits plötzliches Erscheinen und behext von den Augen des Predigers, blieb der unglückliche Jakob bolzengerade sitzen, konnte sich nicht rühren, hätte gern geweint, fand aber den Mut nicht dazu und starrte den Pastor an, bis die kleinen Augen aus ihren Höhlen zu springen drohten.
»Es bleibt mir keine andere Wahl, als es öffentlich zu tun«, dachte Kit.
Sofort trat er leise aus seinem Stuhl in den seiner Mutter und packte, wie Herr Swiveller gesagt haben würde, wenn er dabeigewesen wäre, den jüngsten Nubbles, ohne ein Wort zu sprechen, ›beim Kragen‹.
»Bst, Mutter!« flüsterte Kit; »kommt mit mir, ich habe Euch etwas zu sagen.«
»Wo bin ich?« sagte Madame Nubbles.
»In diesem gesegneten Klein-Bethel«, entgegnete ihr Sohn verdrießlich.
»Bei Gott, gesegnet!« rief Frau Nubbles, das Wort auffas
send. »Ach, Christoph, wie bin ich diesen Abend erbaut worden!«
»Ja, ja, ich weiß«, entgegnete Kit hastig, »aber kommt nur mit, Mutter; jedermann sieht auf uns. Macht keinen Lärm, laßt Jakob nicht zurück, so ists recht!«
»Halt, Satan, halt!« rief der Prediger, als Kit abzog.
»Der Herr sagt, du sollst bleiben«, flüsterte seine Mutter.
»Bleib, Satan, bleib!« brüllte der Prediger abermals. »Versuche das Weib nicht, das sein Ohr zu dir neiget, sondern höre die Stimme dessen, der da rufet. Er hat ein Lamm aus der Hürde!« rief der Prediger, die Stimme noch mehr erhebend und auf den kleinsten Nubbles deutend. »Er führt ein Lamm, ein köstliches Lamm von hinnen! Er geht umher wie ein Wolf zur Nacht und verlocket die unschuldigen Lämmlein!«
Kit war der gutmütigste Bursche von der Welt, aber in Anbetracht dieser scharfen Worte und etwas aufgeregt durch die Lage, in der er sich befand, drehte er sich, den Kleinen auf dem Arme, gegen die Kanzel um und erwiderte laut:
»Nein, das tue ich nicht. Es ist mein Bruder!«
»Es ist mein Bruder!« rief der Prediger.
»Ihr lügt!« rief Kit entrüstet. »Wie könnt Ihr so etwas sagen? … Und nur keine Beleidigungen, wenn ich bitten darf; was habe ich denn Unrechtes getan? Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß ich nicht gekommen wäre, um sie wegzuholen, wenn es nicht notwendig wäre. Ich wollte es ganz ruhig tun, aber Ihr ließt mich nicht. Seid jetzt so gut und schimpft meinetwegen Satan und seinesgleichen, solange
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