Der Raritätenladen
sich nicht gewisse ungeduldige Schläge an der Tür hätten vernehmen lassen, die zu bekunden schienen, daß sich an der Außenseite derselben ein paar ziemlich harte Knöchel abarbeiteten.
»Ach du mein Himmel!« begann er, indem er mit einem boshaften Grinsen im Zimmer umherblickte, »es ist Tag! Öffne die Tür, meine süße Frau Quilp!«
Das gehorsame Weib schob den Riegel zurück, und ihre Mutter trat ins Zimmer.
Frau Jiniwin stürmte mit großem Ungestüm herein; denn in der Voraussetzung, daß ihr Schwiegersohn noch im Bett wäre, hatte sie die Absicht, ihren Gefühlen in kräftigen Scheltworten über sein Benehmen und seinen Charakter Luft zu machen. Als sie jedoch sah, daß er auf und angekleidet war und daß er allem Anscheine nach das Zimmer seit gestern abend, da sie ihm weichen mußte, nicht verlassen hatte, hielt sie mit einiger Verlegenheit inne.
Nichts entging dem Habichtsauge des häßlichen kleinen Mannes, der vollkommen begriff, was in der Seele der alten Dame vorging, und der in der Fülle seiner Herzensfreude nur
noch häßlicher wurde, als er ihr mit triumphierendem Hohnlächeln einen guten Morgen wünschte.
»Ei, Betsy«, sagte die alte Frau, »du bist doch nicht – du willst doch nicht sagen, daß du …«
»Die ganze Nacht aufgeblieben bist?« ergänzte Quilp diesen Satz. »Ja, das will sie.«
»Die ganze Nacht?« rief Frau Jiniwin.
»Ja, die ganze Nacht. Ist die gute alte Dame taub?« entgegnete Quilp halb lächelnd, halb die Stirn runzelnd. »Wer will behaupten, Mann und Weib seien einander eine schlechte Gesellschaft? Ha ha! Wie schnell uns die Zeit entschwand!«
»So ein Untier!« rief Frau Jiniwin.
»Nun, nun«, versetzte Quilp, der sie natürlich absichtlich mißverstand, »Sie müssen sie nicht schelten! Sie wissen ja, daß sie jetzt verheiratet ist; und obgleich die Zeit sie betrog und mich von meinem Bette abhielt, so müssen Sie doch nicht so zärtlich um mich bekümmert sein, um ihr deshalb zu grollen. Nichtsdestoweniger möge Sie der Himmel dafür segnen, liebe alte Dame. Auf Ihre Gesundheit!«
»Ich bin Ihnen sehr verbunden«, entgegnete die alte Frau, die durch eine gewisse Unruhe in ihren Händen ein heftiges Verlangen verriet, ihre Matronenfaust mit ihrem Schwiegersohn in Berührung zu bringen; »oh, ich bin Ihnen recht sehr verbunden.«
»Dankbare Seele!« rief der Zwerg. »Frau Quilp!«
»Ja, Quilp«, versetzte die schüchterne Dulderin.
»Hilf deiner Mutter das Frühstück besorgen, Frau Quilp! Ich muß diesen Morgen auf die Werft – je früher, desto besser; also spute dich!«
Frau Jiniwin machte eine schwache, auflehnende Bewegung, indem sie sich auf einen Stuhl in der Nähe der Tür setzte und die Arme übereinanderschlug, als wäre sie fest entschlossen,
durchaus keine Hand anzulegen. Aber einige Flüsterworte ihrer Tochter und die freundliche Anfrage ihres Schwiegersohnes, ob sie sich unwohl fühle – mit einer Andeutung, daß in dem nächsten Gemache in genügender Menge kaltes Wasser sei –, ließ plötzlich diese Symptome verschwinden, und sie ging mit verdrossenem Fleiß an die vorgeschriebene Arbeit.
Während sie so beschäftigt waren, verfügte sich Herr Quilp in das anstoßende Zimmer, schlug seinen Rockkragen zurück und schickte sich an, sein Gesicht mit einem feuchten Handtuche von sehr ungesundem Aussehen zu beschmieren, wodurch übrigens seine Hautfarbe nur noch wolkiger wurde. Aber auch während dieser Arbeit verließ ihn seine Vorsicht und sein Spüreifer nicht. Mit einem ebenso scharfen und schlauen Gesicht als sonst unterbrach er zu wiederholten Malen diesen kurzen Prozeß und belauschte ein Gespräch in dem nächsten Zimmer, zu dem vielleicht er selbst das Thema abgeben mochte.
»Ah!« sagte er nach kurzer, angestrengter Aufmerksamkeit, »dachte ich mirs doch gleich, es war nicht die Schuld des Handtuchs über meinen Ohren. Ich bin also ein kleiner, buckliger Schuft und ein Ungeheuer. Bin ich das wirklich, Frau Jiniwin? Schön!«
Das Vergnügen über diese Entdeckung rief wieder das alte, hundeähnliche Grinsen in voller Kraft hervor. Sodann schüttelte er sich ganz hundeartig und begab sich zu den Damen.
Herr Quilp trat jetzt vor einen Spiegel und war eben mit dem Anlegen seines Halstuchs beschäftigt, als Frau Jiniwin, die zufällig hinter ihm stand, dem inneren Drange nicht widerstehen konnte, die Faust gegen ihren tyrannischen Schwiegersohn zu schütteln. Die Bewegung war nur eine augenblickliche; aber als sie diese
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