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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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sie! Aber doch ist er nicht ganz das, was man einen – schönen Mann nennt, und ebensowenig kann man ihn absolut einen jungen nennen, was allenfalls, wenn irgend etwas, eine kleine Entschuldigung für ihn sein dürfte, während seine Frau jung, hübsch und – was hier im Grunde doch vorzugsweise in Betracht kommt – eine Frau ist!«
    Die letztere Klausel, die mit besonderem Pathos vorgetragen wurde, veranlaßte ein allgemeines Gemurmel von seiten der Zuhörerschaft, wodurch die Dame zu der Bemerkung ermutigt wurde: »Wenn ein solcher Mann ungezogen und unvernünftig gegen ein solches Weib ist, dann …«
    » Wenn er es ist?« fiel die Mutter ein, indem sie ihre Teetasse
niedersetzte und als Vorbereitung zu einer feierlichen Erklärung die Brotkrumen von ihrem Schoße bürstete, » wenn er es ist? Er ist der größte Tyrann, denn sie darf nicht einmal ihre Seele ihr Eigentum nennen: er macht sie mit einem Wort, sogar mit einem Winke zittern, er ängstigt sie zu Tode, und sie hat nicht einmal den Mut, ihm ein einziges Wort zurückzugeben, nein, nicht einmal ein einziges Wort!«
    Obgleich diese Tatsache allen Teegästen bekannt und in den letzten zwölf Monaten bei jeder Kaffeevisite abgehandelt und erschöpft worden war, so fingen doch unmittelbar nach dieser offiziellen Mitteilung alle auf einmal an zu sprechen und suchten sich an Heftigkeit und Zungengeläufigkeit zu überbieten. Frau George bemerkte, die Leute sprächen davon, die Leute hätten ihr dies schon früher gesagt, Frau Simmons, die hin und wieder ins Haus komme, habe ihrs schon zwanzigmal gesagt, sie aber habe immer erwidert:
    »Nein, Henriette Simmons, wenn ich es nicht mit eignen Augen sehe und mit eignen Ohren höre, so werde ich es nie glauben!« Frau Simmons bekräftigte diese Aussage und führte auch ihrerseits noch überzeugende Beweise an. Die Dame aus den Minories erzählte von einem erfolgreichen Verfahren, das sie gegen ihren eigenen Gatten zur Anwendung gebracht hatte; er habe einen Monat nach der Hochzeit unzweideutige Symptome eines Tigers von sich gegeben, sei aber unter Anwendung dieser Mittel in ein vollkommenes Lamm umgewandelt worden. Eine andere Dame berichtete von ihrem eigenen persönlichen Kampf und endlichen Triumph; sie hätte es für geraten befunden, ihre Mutter und ihre zwei Tanten herbeizurufen, um sechs Wochen unablässig Tag und Nacht mit ihnen zu weinen. Eine dritte, die in der allgemeinen Verwirrung keine andern Zuhörer bekommen konnte, klammerte sich an ein junges, noch unverheiratetes Geschöpf, das zufällig zugegen
war, und beschwor sie, wenn ihr der Friede ihrer Seele und ihr Glück lieb seien, diese feierliche Gelegenheit zu benutzen, sich an Frau Quilps Schwäche ein Beispiel zu nehmen und von Stund an alle ihre Gedanken darauf zu richten, den rebellischen Geist der Männer zu zähmen und zu unterjochen. Der Lärm hatte gerade seinen Höhepunkt erreicht, und die Hälfte der Gesellschaft hatte ihre Stimmen zu einem förmlichen Gekreisch verzerrt, um die Stimmen der andern Hälfte zu ersticken, als man plötzlich bemerkte, wie Frau Jiniwin erblaßte und heimlich ihren Zeigefinger warnend hob, um die Anwesenden zum Stillschweigen zu ermahnen. Erst jetzt gewahrte man, daß Daniel Quilp, die Ursache und der Gegenstand dieses ganzen Geschreis, im Zimmer stand, umherschaute und mit tiefer Aufmerksamkeit zuhörte.
    »Nur weiter, meine Damen, nur weiter!« sagte Daniel. »Liebe Frau, sei so gut, bitte die Damen doch, zum Nachtessen zu bleiben und ein paar Austern nebst einem leichten und pikanten Imbiß mit uns zu verzehren.«
    »Ich – ich – habe sie nicht zum Tee gebeten, Quilp«, stammelte seine Frau; »es ist ein reiner Zufall.«
    »Um so besser, liebe Frau; solche zufällige Gesellschaften sind immer die angenehmsten«, sagte der Zwerg und rieb dabei seine Hände so kräftig, daß es schien, als wolle er aus dem Schmutz, von dem sie überzogen waren, kleine Kugeln für Blasrohre fabrizieren. »Was? Sie werden doch nicht gehen wollen, meine Damen; nein, Sie werden doch nicht schon gehen wollen?«
    Seine schönen Feindinnen warfen den Kopf verächtlich zurück, während sie ihre Hüte und Halstücher suchten, und überließen den ganzen Wortkampf Frau Jiniwin, die, in ihrer feindseligen Stellung ertappt, einen schwachen Versuch machte, in der Rolle zu bleiben.
    »Und warum sollten sie nicht zum Abendessen bleiben, Quilp, wenn meine Tochter Lust hat, sie einzuladen?« sagte die alte Dame.
    »Sehr richtig«,

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