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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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uns gesagt, ich glaube nicht, daß es das letzte sein wird, das Sie aus dieser Quelle schöpfen werden. Ich fürchte nicht. Gott befohlen, Kit. Gott befohlen!«
    Unter vielen Dankesworten und noch mehr Selbstvorwür
fen, daß er auf so geringfügige Anlässe hin einem Mann mißtraut hatte, der sich beim allerersten Gespräch so ganz anders zeigte, als er geglaubt, nahm Kit das Geld und eilte nach Hause. Herr Braß blieb zurück, um sich an dem Feuer zu bähen, und nahm seine musikalische Übung nebst seinem seraphischen Lächeln wieder auf.
    »Kann ich kommen?« fragte Miß Sally hereinschauend.
    »O ja, du magst kommen«, entgegnete ihr Bruder.
    »Hm?« hustete Miß Braß fragend.
    »Ja«, erwiderte Sampson, »ich möchte sagen, es ist so gut wie abgetan.«

Siebenundfünfzigstes Kapitel
    Herrn Chucksters unwillige Befürchtungen entbehrten nicht ihrer Grundlage. Jedenfalls wollte die Freundschaft zwischen dem ledigen Herrn und Herrn Garland nicht erkalten, sie machte vielmehr Riesenfortschritte und wurde immer wärmer und inniger. Sie standen bald in einem beständigen persönlichen oder brieflichen Verkehr, und da der ledige Herr sich damals etwas unwohl fühlte – höchstwahrscheinlich infolge der Aufregungen und Enttäuschungen der letzten Tage –, war Anlaß vorhanden, eine noch häufigere Korrespondenz zu unterhalten, so daß fast jeden Tag einer der Insassen von Abel Cottage zwischen Bevis-Marks und Finchley ab- und zuging.
    Da das Pony nun seine Maske endgültig abgeworfen hatte und ohne irgendwelche Beschönigungen oder Kreuzmanöver sich geradezu hartnäckig weigerte, einem andern Lenker als Kit zu folgen, traf es sich regelmäßig, daß Kit immer dabei war, mochte nun Herr Garland oder Herr Abel auf Besuch kommen. Alle Aufträge und Anfragen mußte natürlich Kit von
Rechts wegen besorgen, und so kam es denn, daß er, während der ledige Herr unwohl war, jeden Morgen fast so regelmäßig wie der Postbote in Bevis-Marks eintraf.
    Herr Sampson Braß, der zweifellos seine Gründe hatte, ein scharfes Augenmerk auf alles zu haben, was um ihn vorging, hatte bald den Tritt des Ponys und das Rasseln der kleinen Chaise an der Straßenecke unterscheiden gelernt. Sooft dieses Geräusch sein Ohr traf, legte er seine Feder nieder, begann seine Hände zu reiben und das größte Entzücken an den Tag zu legen.
    »Ha ha!« konnte er rufen, »da ist das Pony wieder! Höchst merkwürdiges Pony; außerordentlich gelehrig – he, Herr Richard, he, Sir?«
    Es versteht sich von selbst, daß Dick irgendeine darauf bezügliche Antwort gab, und Herr Braß, der sich auf die untere Sprosse seines Bockes stellte, um über die Gardinen hinweg einen Ausblick auf die Straße zu gewinnen, nahm die Besucher in Augenschein.
    »Der alte Herr wieder!« rief er; »ein sehr einnehmender alter Herr, charmantes Gesicht, Sir, außerordentlich ruhig, Wohlwollen in jedem Zuge, Sir. Er verwirklicht ganz meine Idee von dem König Lear, wie er aussah, als er noch im Besitz seines Königreichs war, Herr Richard. Derselbe gute Humor, dasselbe weiße, zum Teil kahle Haupt, dieselbe Zugänglichkeit für Betrügerei. Ah! ein angenehmer Gegenstand für Betrachtungen, Sir, höchst angenehm!«
    Wenn dann Herr Garland abgestiegen und die Treppe hinaufgegangen war, nickte Sampson Kit durch das Fenster zu, lächelte ihn freundlich an und ging dann wohl auch auf die Straße hinaus, um ihn zu begrüßen, worauf sich dann eine Unterhaltung etwa in folgender Weise zu entwickeln pflegte.
    »Wirklich bewunderungswürdig gestriegelt, Kit« – Herr
Braß streichelt das Pony – »macht Ihnen große Ehre, erstaunlich glatt und blank. Es sieht buchstäblich aus, als ob es über und über gefirnißt worden wäre.«
    Kit berührt seinen Hut, lächelt, streichelt das Pony gleichfalls und meint ganz überzeugt, daß Herr Braß nicht viele Tiere seinesgleichen finden werde.
    »In der Tat, ein schönes Tier!« ruft Braß; »ist es auch klug?«
    »Beim Himmel!« versetzt Kit, »es weiß, was Sie zu ihm sagen, ebensogut wie ein anderer Christenmensch.«
    »Wirklich?« ruft dann Braß, der das nämliche an dem gleichen Ort und von derselben Person mit den nämlichen Worten schon dutzendmal gehört hat, aber trotzdem vor Erstaunen ganz versteinert ist. »Ei der Tausend!«
    »Als ich es zum erstenmal sah«, fährt Kit fort, der über das lebhafte Interesse des Advokaten an seinem Liebling sehr vergnügt ist, »hätte ich es mir wohl nicht träumen lassen, daß ich so gut mit ihm

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