Der Raritätenladen
auskommen würde, wie es jetzt der Fall ist.«
»Ah!« erwidert Herr Braß, bis an den Rand voll von moralischen Grundsätzen und Tugendliebe. »Ein bezaubernder Gegenstand für Sie zu Betrachtungen, ganz bezaubernd. Ein Gegenstand, auf den Sie mit Recht stolz sein und zu dem Sie sich Glück wünschen können, Christoph. Ehrlichkeit ist die beste Politik, das finde ich immer wieder. Ich habe diesen Morgen aus lauter Ehrlichkeit siebenundvierzig Pfund zehn Schilling verloren; aber es ist alles Gewinn, es ist Gewinn!«
Herr Braß kitzelt pfiffig seine Nase mit der Feder, und das Wasser steht ihm in den Augen, während er Kit anblickt. Kit aber denkt, wenn es je einen guten Menschen gegeben hat, dessen Herz sein Äußeres Lügen straft, so ist dieser Mensch Sampson Braß.
»Ein Mann«, fährt Sampson fort, »der an einem Morgen durch seine Ehrlichkeit siebenundvierzig Pfund und zehn Schil
ling verliert, ist ein beneidenswerter Mann. Wären es achtzig Pfund gewesen, so hätte die Wollust des Gefühls noch größer sein müssen. Jedes verlorene Pfund wäre durch den Gewinn von einem Zentner Glück ausgeglichen worden. Die stille, kleine Stimme«, ruft Braß lächelnd, indem er sich dabei an die Brust schlägt, »singt lustige Lieder in meinem Innern, und alles ist lauter Glück und Freude.«
Kit ist durch diese Unterhaltung so erbaut und findet, daß sie seinen eignen Empfindungen so entspricht, daß er eben überlegt, was er sagen soll, als Herr Garland erscheint. Herr Sampson Braß läßt es sich nicht nehmen, dem alten Herrn in die Chaise zu helfen, und das Pony, das nach mehrmaligem Kopfschütteln drei oder vier Minuten mit seinen vier Beinen wie angewurzelt dasteht, als sei es fest entschlossen, sich nie wieder von der Stelle zu rühren und hier zu leben und zu sterben, stürmt plötzlich, ehe man sichs versieht, mit der Geschwindigkeit von zwölf englischen Meilen in der Stunde davon. Dann tauschen Herr Braß und seine Schwester, die inzwischen an die Tür getreten ist, eine wunderliche Art von Lächeln aus, das wir jedoch keineswegs ein angenehmes nennen möchten, und kehren zu Herrn Richard Swiveller zurück, der sich während ihrer Abwesenheit mit den verschiedensten pantomimischen Kunststücken unterhalten hat und nun mit sehr gerötetem und erhitztem Gesicht an seinem Pulte gefunden wird, auf dem er mit großem Eifer einen imaginären Tintenklecks aus dem Papier kratzt.
Sooft Kit allein und ohne die Chaise kam, traf es sich immer, daß Sampson Braß sich an irgendeinen Auftrag erinnerte, der Herrn Swiveller, wenn auch nicht wieder nach Peckham Rye, so doch jedenfalls nach einem ziemlich entfernten Orte führte, von wo seine Rückkehr nicht vor zwei oder drei Stunden, vielleicht sogar noch länger, zu besorgen stand, da,
aufrichtig gesprochen, der genannte Herr nicht sehr bekannt dafür war, bei solchen Anlässen eine besondere Geschwindigkeit zu entwickeln, sondern vielmehr die anberaumte Zeit bis zur äußersten Grenze auszudehnen. Sobald Herr Swiveller fort war, nahm auch Miß Sally Abschied. Herr Braß ließ dann die Bureautür weit offen, summte seine alte Arie mit frohem Herzen und lächelte so seraphisch wie früher. Kam Kit die Treppe herunter, dann wurde er in das Bureau gerufen, in irgendein moralisches und angenehmes Gespräch verwickelt, vielleicht ersucht, einen Augenblick auf das Bureau achtzuhaben, während Herr Braß einen kleinen Ausgang machte, und dann je nach den Umständen mit einer oder zwei halben Kronen beschenkt. Dies trug sich so oft zu, daß Kit, der nicht anders glaubte, als daß sie von dem ledigen Herrn kämen, der bereits seine Mutter mit großer Freigebigkeit beschenkt hatte, dessen Großmut nicht genug bewundern konnte. Er kaufte auch für seine Mutter, für den kleinen Jakob, für das Wiegenkind und für Barbara obendrein so viele wohlfeile Geschenke, daß die eine oder der andere von ihnen tagtäglich irgendeine neue Kleinigkeit erhielt.
Während in und außer dem Bureau des Herrn Sampson Braß in dieser Weise operiert wurde, begann Richard Swiveller, der oft allein bleiben mußte, die Zeit schrecklich langweilig zu finden. Zur Erhaltung seiner guten Laune und um seine Fähigkeiten nicht einrosten zu lassen, versah er sich daher mit einer Cribbagetafel und einem Spiel Karten und spielte sodann mit einem Blinden, zwanzig-, dreißig-, bisweilen sogar fünfzigtausend Pfund die Partie, die vielen Hasardwetten, bei denen es hoch herging, gar nicht mitgerechnet.
Da diese
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