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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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war.
    »Nun«, sagte Herr Swiveller, indem er zwei Sechspencestücke in eine Untertasse legte und das armselige Licht schneuzte, sobald die Karten abgehoben und ausgegeben waren, »das ist der Einsatz. Wenn du gewinnst, kriegst du ihn ganz, gewinne ich, dann gehört er mir. Um der Sache einen reelleren und amüsanteren Anstrich zu geben, werde ich dich Marquise nennen, hörst du?«
    Die kleine Magd nickte bejahend.
    »Dann, Marquise«, sagte Herr Swiveller, »legen Sie los!«
    Die Marquise hielt die Karten fest in beiden Händen und überlegte, welche sie ausspielen sollte, während Herr Swiveller die heitere und fashionable Miene annahm, die in einer so illustren Gesellschaft nötig war, ein zweites Mal seinem Kruge zusprach und wartete, bis seine Gefährtin den Anfang machte.

Achtundfünfzigstes Kapitel
    Herr Swiveller und seine Spielgefährtin machten mehrere Partien mit wechselndem Erfolg, bis der Verlust von dreißig Pence, das allmähliche Schwinden des Bieres und die Uhr, die eben zehn schlug, zusammenwirkten, um jenen Herrn an den Flug der Zeit zu erinnern und an die Zweckmäßigkeit, sich zu entfernen, ehe Herr Sampson und Miß Braß zurückkehrten.
    »Angesichts dieses zu berücksichtigenden Umstandes, Marquise«, sagte Herr Swiveller ernst, »werde ich Euer Gnaden um die Erlaubnis bitten, die Tafel in meine Tasche stecken und mich aus Ihrer persönlichen Nähe zurückziehen zu dürfen, sobald ich diesen Humpen geleert habe. Dabei will ich nur bemerken, Marquise, daß ich, seit das Leben wie ein Fluß entfleucht, mich nicht kümmere um des Laufes Schnelle, wenn am Ufer solcher Wermut kreucht und solch Augenlicht ihm scheint so helle. Marquise, Ihre Gesundheit! Sie werden mich entschuldigen, daß ich meinen Hut aufbehalte, aber der Palast ist etwas feucht und der Marmorboden – wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf – schmutzig.«
    Als Vorsichtsmaßregel gegen diesen Übelstand hatte Herr Swiveller eine Zeitlang seine Füße auf die Unterleiste des Tisches gestellt, in welcher Stellung er auch jetzt seine entschuldigenden Bemerkungen äußerte und dabei langsam die letzten Tropfen seines auserlesenen Nektars schlürfte.
    »Der Baron Sampsono Brasso und seine Schwester sind, wie Sie mir sagten, im Theater?« fuhr Herr Swiveller fort, indem er seinen linken Arm schwer auf den Tisch lehnte und seine Stimme nebst dem rechten Bein in der Weise eines Theaterbanditen hob.
    Die Marquise nickte.
    »Ha!« rief Herr Swiveller mit einem unheilverkündenden
Stirnrunzeln. »Schön, Marquise! Doch gleichviel. Wein herbei! Ho!«
    Er illustrierte diese melodramatischen Brocken dadurch, daß er sich selbst den Krug mit großer Demut einhändigte, ihn mit hochmütiger Miene hinnahm, gar durstig aus ihm trank und ungemein heftig mit den Lippen schmatzte.
    Die kleine Magd, die nicht so vertraut mit theatralischen Gebräuchen war wie Herr Swiveller, da sie in der Tat nie ein Schauspiel gesehen oder von einem sprechen gehört hatte – es müßte denn zufällig durch Türspalten oder an andern verborgenen Orten gewesen sein –, fühlte sich durch solche ihr dem Wesen nach neue Demonstrationen etwas beunruhigt. Ihre Unruhe zeigte sich auch so deutlich auf ihrem Gesicht, daß Herr Swiveller es für nötig erachtete, die Banditenrolle mit einer andern, die sich mehr mit dem gewöhnlichen Leben vertrug, zu vertauschen und zu fragen:
    »Gehen sie oft dorthin, wo Glanz ihrer harrt, und lassen Euch hier allein?«
    »O ja, ich glaube sehr oft«, versetzte die kleine Dienstmagd. »Miß Sally ist gerade so eine.«
    »Was für eine?« fragte Dick.
    »So eine«, entgegnete die Marquise.
    Nach kurzer Überlegung entschloß sich Herr Swiveller, seine verantwortungsvolle Pflicht, sie zurechtzuweisen, zu übergehen und sie lieber fortplaudern zu lassen; denn es war klar, daß ihr das Wermutbier die Zunge gelöst hatte, und die Gelegenheit zu einer Unterhaltung bot sich zu selten, als daß nicht eine kurze Pause ein bedeutungsvoller Zeitverlust gewesen wäre.
    »Sie machen hin und wieder bei Herrn Quilp Besuch«, sagte die kleine Magd mit verschmitztem Blicke. »Sie gehen in so manches Haus – du lieber Gott!«
    »Macht Herr Braß gute Geschäfte?« fragte Dick.
    »Nicht halb so viele wie Miß Sally«, antwortete die kleine Magd kopfschüttelnd. »Du lieber Gott, er tut nie etwas ohne sie!«
    »Ah! wirklich nicht?« entgegnete Dick.
    »Miß Sally hält ihn tüchtig im Zaum«, fuhr die kleine Magd fort. »Er fragt sie immer um Rat, ja; und

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