Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
kleiner Gegenstände herausfischte; »sehr schmerzlich. Nichts da, Herr Richard, alles vollkommen
befriedigend. Auch hier nicht, Sir. Ebensowenig in der Weste, Herr Richard; auch nicht in den Rockschößen. Soweit freut es mich in der Tat.«
    Richard Swiveller, der Kits Hut in der Hand hielt, beobachtete den Fortgang der Untersuchung mit großem Interesse, ohne sich eines ganz flüchtigen Lächelns erwehren zu können, als Braß, eines seiner Augen schließend, mit dem andern in das Innere eines Rockärmels des armen Jungen sah, als ob er in ein Teleskop schaute; dann wandte sich Sampson hastig zu ihm und forderte ihn auf, den Hut zu durchsuchen.
    »Da ist ein Schnupftuch«, sagte Dick.
    »Daran liegt nichts Verfängliches, Sir«, versetzte Braß, indem er sein Auge an den andern Ärmel brachte und in dem Tone eines Mannes sprach, der ins Unendliche hinausschaut. »Durchaus nichts Verfängliches an einem Schnupftuch, durchaus nichts, Sir. Die Wissenschaft hält es, glaube ich, für keine gesunde Gewohnheit, Herr Richard, sein Schnupftuch im Hut zu tragen – ich habe mir sagen lassen, es halte den Kopf zu warm –, aber in jeder andern Beziehung ist diese Aufbewahrungsmethode außerordentlich befriedigend, ja, außerordentlich befriedigend.«
    Ein Ausruf von Richard Swiveller, Miß Sally und Kit zugleich unterbrach plötzlich den Advokaten. Er wandte den Kopf und sah Dick mit der Banknote in der Hand dastehen. »In dem Hut?« rief Braß entsetzt kreischend.
    »Unter dem Schnupftuch und hinter das Futter gesteckt«, sagte Dick, ganz starr über diese Entdeckung.
    Herr Braß blickte auf Swiveller, auf seine Schwester, auf die Wände, zur Decke, auf den Fußboden – überall hin, nur nicht auf Kit, der ganz betäubt und regungslos dastand.
    »Und das«, rief Sampson, seine Hände zusammenschlagend, »das ist die Welt, die sich um ihre eigene Achse dreht, unter
lunarischem Einfluß steht und ihre Bewegungen um himmlische Körper vollführt, nebst sonstigen derartigen Possen! Das ist menschliche Natur! O Natur, Natur! Das ist der Bösewicht, dem ich durch alle meine kleinen Künste Wohltaten erweisen wollte und für den ich noch jetzt so viel Zuneigung fühle, daß ich ihn möchte laufen lassen. Doch«, fügte Herr Braß mit erhobener Stimme hinzu, »ich bin ein Rechtsgelehrter und als solcher verpflichtet, ein Beispiel zu geben, wo es gilt, die Gesetze meines glücklichen Vaterlandes in Kraft treten zu lassen. Sally, meine Liebe, vergib mir und ergreife ihn an dem andern Arme. Herr Richard, haben Sie die Güte, geschwind einen Polizeimann zu holen. Die Anwandlung von Schwäche ist vorüber, Sir, und die moralische Kraft kehrt zurück. Einen Polizisten, Sir, wenn es Ihnen beliebt!«

Sechzigstes Kapitel
    Kit stand wie versteinert da, die weit offenen Augen auf den Boden geheftet und ebenso gefühllos gegen die zitternde Hand des Herrn Braß, die ihn an der einen Seite seiner Halsbinde festhielt, wie gegen den festeren Griff von Miß Sally auf der andern. Die Krallen der letzteren waren an sich schon keine kleine Unbequemlichkeit, da diese bezaubernde Dame, abgesehen davon, daß sie von Zeit zu Zeit ihre Knöchel sehr unsanft in seine Kehle bohrte, gleich von Anfang an so fest gepackt hatte, daß der arme Junge sogar in der Verwirrung und Zerstreutheit seiner Gedanken sich des beunruhigenden Gefühls, ersticken zu müssen, nicht erwehren konnte. Er verblieb in dieser Stellung zwischen Bruder und Schwester ganz widerstandslos und passiv, bis Herr Swiveller mit einem Polizisten zurückkehrte.
    Dieser Beamte, der natürlich an solche Auftritte gewöhnt war und alle Arten von Eigentumsvergehen von dem kleinsten Diebstahl an bis zum Hauseinbruch und Straßenraub als regelmäßig wiederkehrende Geschäftssachen ansah, und der die Frevler wie Kunden betrachtete, die im Engros- und Detailladen des Kriminalgesetzes, hinter dessen Ladentisch er stand, bedient werden sollten, nahm die Angaben des Herrn Braß ungefähr mit ebensoviel Interesse und Überraschung hin, wie sie etwa ein Leichenbestatter an den Tag legen würde, wenn er einen umständlichen Bericht über die letzte Krankheit einer Person anhören müßte, die er geschäftsmäßig versorgen sollte. Dann verhaftete er Kit mit bescheidener Gleichmütigkeit.
    »Wir täten besser«, sagte dieser angestellte Diener der Gerechtigkeit, »uns an das Gericht zu wenden, solange noch eine Magistratsperson da ist. Ich muß Sie daher auffordern, Herr Braß, mit uns zu kommen, und die

Weitere Kostenlose Bücher