Der Raritätenladen
…« Er sah dabei Miß Sally an, als sei er nicht ganz sicher, ob sie nicht ein Greif oder ein anderes fabelhaftes Ungeheuer sei.
»Die Dame, he?« half Sampson nach.
»Ah!« versetzte der Polizeimann. »Ja, die Dame. Auch den jungen Mann, der die Note gefunden hat.«
»Herr Richard«, sagte Braß mit wehmütiger Stimme, »es ist eine traurige Notwendigkeit. Aber der Altar des Vaterlandes, Sir …«
»Sie werden vermutlich eine Mietkutsche nehmen?« fiel der Polizist ein, indem er Kit, den seine andern Häscher losgelassen hatten, ein wenig über dem Ellbogen sorglos am Arme hielt. »Wollen Sie so gut sein und eine holen lassen, ja?«
»Aber lassen Sie mich nur ein Wort sprechen!« rief Kit, die Augen erhebend und flehentlich um sich schauend. »Hören Sie mich doch an! Ich bin ebensowenig schuldig als einer von Ihnen. Bei meiner Seele, ich bin unschuldig. Ich, ein Dieb!
O Herr Braß, Sie kennen mich besser. Gewiß, Sie kennen mich besser. Das ist wirklich nicht recht von Ihnen.«
»Ich gebe Ihnen mein Wort, Polizist«, sagte Braß.
Hier legte sich jedoch der Polizist mit dem konstitutionellen Prinzip ins Mittel, daß Worte leicht wie der Wind seien, und bemerkte, sie wären nur ein Milchkoch für Wickelkinder, Männern müßte man mit Eiden aufwarten.
»Vollkommen richtig, Herr«, pflichtete Braß in demselben wehmütigen Tone bei. »Sehr richtig. Ich gebe Ihnen die eidliche Versicherung, Herr, daß ich noch einige Minuten vor dieser fatalen Entdeckung ein solches Vertrauen in diesen Jungen setzte, daß ich ihm die Obhut über mein … eine Mietkutsche, Herr Richard! Sie sind gar langsam, Sir!«
»Wo ist jemand, der mich kennt«, rief Kit, »und mir nicht vertrauen würde? Fragt jedermann, ob man je den mindesten Zweifel in mich gesetzt hat und ob ich jemals auch nur einen Heller veruntreute! Ich bin nie unehrlich gewesen, solange ich arm und hungrig war; ist es da wohl wahrscheinlich, daß ich jetzt anfangen werde? Oh, seht Euch vor, was Ihr tut! Wie kann ich wieder den besten Freunden, die je ein Mensch hatte, unter die Augen treten, wenn man mich derartig verdächtigt hat!«
Herr Braß entgegnete, der Gefangene würde gut getan haben, wenn er das früher bedacht hätte, und schickte sich eben an, noch einige weitere düstere Bemerkungen zu machen, als sich die Stimme des ledigen Herrn vernehmen ließ, der von oben herunter rief, was es denn eigentlich gebe und was all dieser Lärm bedeuten solle. Kit machte in dem Bestreben, die Antwort selbst zu geben, eine unwillkürliche Bewegung nach der Tür, wurde aber hastig von dem Polizisten zurückgehalten und mußte mit bitterm Schmerz sehen, wie Braß allein hinauslief, um die Geschichte in seiner eignen Weise zu erzählen.
»Und er kann es auch kaum glauben«, sagte Sampson, als
er wieder zurückkehrte; »es geht aller Welt so. Ich wollte, ich könnte das Zeugnis meiner Sinne bezweifeln, aber ihre Aussagen sind unumstößlich. Es führt zu nichts, meine Augen in ein Kreuz- und Querverhör zu nehmen«, rief Sampson blinzelnd, indem er seine Sehwerkzeuge rieb, »sie beharren auf ihrer ersten Aussage und wollen nicht von ihr abweichen. Nun, Sara, ich höre draußen die Kutsche; hole deinen Hut, damit wir fortkommen. Eine traurige Verrichtung! Eigentlich ein moralisches Leichenbegängnis!«
»Herr Braß«, sagte Kit, »erweisen Sie mir nur eine einzige Gunst, bringen Sie mich zuerst zu Herrn Witherden!«
Sampson schüttelte unschlüssig den Kopf.
»Ach, tun Sie es«, flehte Kit. »Mein Herr ist dort. Um Himmels willen, bringen Sie mich zuerst dorthin!«
»Ei, ich weiß nicht«, stammelte Braß, der vielleicht seine Gründe hatte, in den Augen des Notars so rein als möglich dastehen zu wollen. »Wie würde das mit der Zeit ausgehen, Herr? He?«
Der Wachmann, der die ganze Zeit über mit großer philosophischer Ruhe an einem Strohhalm genagt hatte, entgegnete, wenn sie gleich gingen, so hätten sie noch Zeit genug; wenn sie aber noch lange daständen und herumtändelten, dann müßten sie gleich aufs Bürgermeisteramt gehen; dies sei schließlich seine Meinung in der Sache und weiter wolle er nichts gesagt haben.
Da Herr Swiveller in der Kutsche zurückgekommen war und noch immer in der bequemsten Ecke, das Gesicht den Pferden zugekehrt, saß, forderte Braß den Polizeibeamten auf, seinen Gefangenen abzuführen, und erklärte sich zum Fortgehen bereit.
Und so stieß der Wachmann, der Kit noch immer wie früher am Arme hielt und ihn ein wenig vor sich
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