Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
geflossen, als derselbe Kit hereinsah.
    »Entschuldigen Sie, Sir, ist der Herr oben?«
    »Ja, Kit«, antwortete Braß, noch immer entflammt von edlem Unwillen, und die Brauen finster gegen seine Schwester runzelnd. »Ja, Kit, er ist oben. Ich freue mich, Sie zu sehen, Kit; recht sehr freue ich mich, Sie zu sehen. Sprechen Sie im Herunterkommen wieder bei uns vor, Kit!«
    »Dieser Junge ein Dieb!« rief Braß, als Kit sich entfernt hatte; »mit dem freimütigen, offenen Gesicht! Ich wollte ihm ungezähltes Gold anvertrauen. Herr Richard, wollen Sie nicht die Güte haben, geschwind zu Wrasp und Kompanie in der Breiten Straße zu gehen und dort anzufragen, ob sie Weisung erhalten haben, in Sachen Carkem und Painter zu erscheinen? Dieser Junge ein Dieb!« höhnte Sampson, noch immer vor Zorn glühend. »Bin ich blind, taub, blödsinnig? Verstehe ich nichts von der menschlichen Psyche, wenn ich sie vor mir sehe? Kit ein Dieb – pah!«
    Sampson Braß warf diesen Schlußausruf Miß Sally mit der Miene unaussprechlicher Verachtung zu, steckte den Kopf in sein Pult, als wollte er seinen Augen den Anblick einer so schlimmen Welt ersparen, und keuchte sogar noch unter dem halbgeschlossenen Deckel in verächtlichem Trotz hervor.

Neunundfünfzigstes Kapitel
    Sobald sich Kit seines Auftrags entledigt hatte, kam er aus dem Zimmer des ledigen Herrn nach Ablauf von ungefähr einer Viertelstunde die Treppe herunter und fand Sampson Braß allein in dem Bureau. Er sang nicht wie sonst und saß auch nicht an seinem Pult. Die offene Tür zeigte den Ehrenmann, wie er mit dem Rücken gegen das Feuer stand und ein so sonderbares Gesicht schnitt, daß Kit meinte, er müsse plötzlich krank geworden sein.
    »Ist etwas vorgefallen, Sir?« fragte Kit.
    »Vorgefallen?« rief Braß. »Nein. Warum sollte etwas vorgefallen sein?«
    »Sie sehen so blaß aus«, versetzte Kit, »daß ich Sie kaum erkannt hätte.«
    »Pah, pah! Lauter Einbildung!« entgegnete Braß, indem er sich bückte, um die glimmende Asche zu schüren. »War nie wohler, Kit, in meinem Leben nie wohler, und vergnügt dazu. Ha ha! Was macht Ihr Freund oben, he?«
    »Es geht ihm viel besser«, antwortete Kit.
    »Bin froh, das zu hören«, entgegnete Braß, »dankbar, möchte ich sagen. Ein vortrefflicher Herr, ein Ehrenmann, freigebig, großmütig, macht nur sehr wenig Mühe, ein bewundernswürdiger Mietsmann. Ha ha! Und Herr Garland, er ist hoffentlich wohl, Kit? Und das Pony, mein Freund, Sie wissen ja, mein besonderer Freund, ha ha!«
    Kit gab genügende Auskunft über den ganzen kleinen Haushalt von Abel Cottage. Herr Braß, der ungewöhnlich zerstreut und ungeduldig schien, stieg auf seinen Bock, winkte Kit näher zu kommen und nahm ihn beim Knopfloch.
    »Ich habe gedacht, Kit«, sagte der Rechtsgelehrte, »daß ich Ihrer Mutter einige kleine Nebeneinkünfte zuschanzen könn
te. Sie haben doch eine Mutter, glaube ich; wenn ich mich recht erinnere, so erzählten Sie mir …?«
    »O ja, Sir, gewiß.«
    »Eine Witwe, glaube ich, eine fleißige Witwe?«
    »Eine arbeitsamere Frau und eine bessere Mutter hat nie gelebt, Sir.«
    »Ah!« rief Braß, »das ist herzergreifend, wahrhaft herzergreifend. Eine arme Witwe, die sich abmüht, ihre Waisen anständig und gut zu ernähren, ist ein köstliches Bild menschlicher Tugend. Aber legen Sie doch Ihren Hut ab, Kit.«
    »Ich danke, Sir, ich muß gleich wieder fort.«
    »So legen Sie ihn wenigstens ab, solange Sie hier sind«, entgegnete Braß, indem er ihn ihm aus der Hand nahm und einige Verwirrung unter den Papieren anrichtete, um einen Platz für ihn auf dem Pult zu finden. »Ich dachte, Kit, daß wir oft für Leute, mit denen wir in Geschäftsverbindung stehen, Häuser zu vermieten und ähnliche Aufträge auszuführen haben. Nun wissen Sie wohl, daß wir Leute in solche Häuser setzen müssen, die sich auch um diese kümmern sollen; das trifft oft Leute, die es nicht verdienen und auf die man sich nicht verlassen kann. Was hindert uns, eine Person zu nehmen, auf die man bauen kann, wenn man dabei die Freude genießt, zugleich ein gutes Werk getan zu haben? Ich sage, was hindert uns, diese würdige Frau, Ihre Mutter, dafür zu verwenden? Da folgte dann eins aus dem andern; einmal eine Wohnung, und dazu eine gute Wohnung, in der man das ganze Jahr über warm sitzt, ohne Miete zu bezahlen; außerdem ein Wochengehalt, Kit, das imstande wäre, sie so manche Behaglichkeit genießen zu lassen, die sie momentan entbehren muß. Nun, was halten

Weitere Kostenlose Bücher