Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
herankam. »Alick hat sehr viel mit Sophia gesprochen. Mein Wort darauf, die Sache ist ernst – das kann man leicht sehen.«
    »Was hat er ihr gesagt, meine Liebe?« fragte Frau Wackles.
    »Alles nur Erdenkliche«, versetzte Miß Cheggs. »Sie können gar nicht glauben, wie er gesprochen hat.«
    Richard Swiveller hielt es für ratsam, nicht weiter zuzuhören, sondern benützte eine Pause im Tanz und die Annäherung des Herrn Cheggs, um der alten Dame sein Kompliment
zu machen, worauf er mit der ausgesuchtesten Miene ganz besonderer Gleichgültigkeit zu der Tür stolzierte. Auf dem Wege kam er an Miß Jane Wackles vorbei, die in der vollen Glorie ihrer Locken sich von einem gebrechlichen alten Herrn, der in dem gleichen Hause wohnte, den Hof machen ließ – als eine gute Vorübung für etwas Besseres. In der Nähe der Tür saß Miß Sophia, noch ganz verwirrt und außer sich durch die Aufmerksamkeiten des Herrn Cheggs; und an ihrer Seite blieb Richard Swiveller einen Augenblick stehen, um sich zu verabschieden.
    »Mein Boot ist auf dem Strande, meine Bark ist auf der See, und eh ich stoß vom Lande, sag ich dir noch Adieu«, murmelte Dick, sie düster anblickend.
    »Sie wollen schon gehen?« sagte Miß Sophia, der das Herz sank ob des Erfolges ihrer Kriegslist, obgleich sie eine leichte Gleichgültigkeit affektierte.
    »Ob ich gehen will?« wiederholte Dick bitter. »Ja, ich will gehen. Was weiter?«
    »Nichts, als daß es noch sehr früh ist«, sagte Miß Sophia; »aber Sie sind natürlich Ihr eigner Herr.«
    »Hätt ich mich nur auch zur eignen Herrin gemacht«, versetzte Dick, »eh ich auch nur entfernt an dich gedacht. Sophia, ach! ich glaubt an deine Treue und fühlte mich als Gott in diesem Wahn; jetzt aber folgt die bittere Reue: so schön und doch auf – ach! – so falscher Bahn!«
    Miß Sophia biß sich auf die Lippen und tat, als ob sie mit großem Interesse Herrn Cheggs nachsehe, der in der Entfernung ein Glas Limonade hinunterstürzte.
    »Ich kam hierher«, fuhr Dick fort, indem er seine eigentliche Absicht fast ganz vergaß, »mit geschwellter Brust, einem vollen Herzen und treuem Empfinden. Jetzt entferne ich mich aber mit Gefühlen, die man wohl fassen, aber nicht beschrei
ben kann – Empfindungen, die mir die trostlose Wahrheit vor Augen führen, daß meine zärtlichsten Neigungen diesen Abend den Todesstoß erlitten haben.«
    »Ich begreife in der Tat nicht, was Sie meinen, Herr Swiveller«, entgegnete Miß Sophia mit gesenktem Blicke. »Ich bedaure sehr, wenn …«
    »Bedauern, Fräulein?« fiel ihr Dick ins Wort. »Bedauern im Besitz eines Cheggs? Doch ich wünsche Ihnen recht gute Nacht und schließe mit der kleinen Bemerkung, daß augenblicklich eine junge Dame für mich heranwächst, die nicht nur große persönliche Reize, sondern auch großen Reichtum besitzt, und die ihren nächsten Verwandten gebeten hat, um meine Hand zu werben. Und mit Rücksicht auf einige ihrer Familienmitglieder habe ich meine Einwilligung gegeben. Es ist ein angenehmer Umstand, der auch Sie freuen wird, daß ein junges und liebliches Mädchen ausdrücklich für mich zum Weibe heranwächst und für mich bewahrt bleibt. Ich glaubte, Ihnen dies mitteilen zu müssen, und habe jetzt nur noch um Entschuldigung zu bitten, daß ich so lange Ihre Aufmerksamkeit mißbrauchte. Gute Nacht.«
    »Ein Gutes hat diese ganze Sache«, sagte Richard Swiveller zu sich selbst, als er zu Hause anlangte und sich mit dem Lichthütchen über die Kerze beugte, um das Licht auszulöschen, »nämlich, daß ich jetzt mit Leib und Seele, Hals über Kopf, auf Fritzens Plan hinsichtlich der kleinen Nelly eingehen kann. Gewiß wird er sich recht freuen, mich so kräftig gerüstet zu finden. Morgen soll er alles erfahren, und in der Zwischenzeit will ichs, da es schon ziemlich spät ist, versuchen, dem balsamischen Schlafe einige Liebesblicke abzugewinnen.«
    Der ›Balsamische‹ kam fast ebensobald, als um ihn geworben wurde. In etlichen Minuten war Swiveller fest eingeschla
fen und träumte, daß Nelly Trent sein Weib geworden und er in den Besitz ihres Vermögens gekommen sei; daß seine erste Gewalttat die gewesen wäre, die Handelsgärtnerei des Herrn Cheggs zu verwüsten und sie in eine Ziegelei umzuwandeln.
    ----
    [ 2 ]  Goldsmith.

Neuntes Kapitel
    Das Kind hatte in seiner vertraulichen Mitteilung Frau Quilp gegenüber nur mit schwachen Farben die trüben und sorgenvollen Gedanken oder die schwere Wolke geschildert, die über seinem Heim

Weitere Kostenlose Bücher