Der Rattenfänger von Hameln
werd’ Euer eigen Und fünfzig Gulden noch auf die Reise.“ —
Wie dünken die Herren so klug sich und weise.
X.
N un sah’ man auf einmal sich verwandeln Den Mann, der die Stadt von den Ratten befreit,
„Ich bitt’ Euch, Ihr Herren, mit mir nicht zu handeln, Und auch zum Warten hab’ ich keine Zeit.
Noch heute muß ich nach Bagdad reisen Zum Koch des Kalifen. Er lud mich ein Das beste mit ihm zu Mittag zu speisen; Sein ehrengeschätzter Gast zu sein, Weil ich ihn befreiet von Scorpionen, Die sich in der Küche ein Nest gebaut.
Ließ ich schon dorten mich fürstlich lohnen, So seid auch gewiß Ihr Herren vom Rat: Bin ich gleich nur einer und Ihr mit Vielen, —
Reizt fürder Ihr noch meine Leidenschaft, So will ich Euch solch’ ein Stücklein spielen, Das Herzeleid Euch und Jammer schafft!“
XI.
„ S o pfeift uns solch’ ein Stücklein doch Ihr hergelauf’ner Vagabund!
Wir sind wohl mehr noch als ein Koch Und noch einmal thun wir Euch kund: Wenn Ihr uns zu beleid’gen wagt, Seid Ihr aus dieser Stadt verjagt!
Nun seh’t, wie Euch das Droh’n gelingt Und blas’t die Pfeife bis Ihr springt!“
XII.
N un schreitet wieder
Zur Gasse nieder
Mit bösem Lächeln der Pfeifer.
Die dünnen Lippen
Erst leise nippen,
Dann blasen das Rohr sie voll Eifer.
So süße Weisen
Die Häuser umkreisen,
Wie man sie noch niemals gehöret; Es hallen die Lieder
Im Herzen wieder,
Weh’ denen, die sie bethöret.
Nun folgt ein Rennen, ein Haschen, ein Laufen; Es nahen die Kinder in hellen Haufen.
Wie setzen sie zierlich die Beine, Holzschuhe schlagen die Steine; Es lachet wohl allen das Herz in der Brust; Sie klappen die Hände in seliger Lust.
Und wie sich wohl Tauben gebaren, Wenn man ihnen frische Körner gestreut, So schwärmen die Kinder in Schaaren In lichtem und dunkelem Kleid: Herzige Knaben und Mägdelein
Mit braunen und blauen Aeugelein, Mit dunklen und blonden Locken; Sie nahen mit lautem Frohlocken!
Sie jauchzen, sie plappern, sie plaudern und lachen Und suchen sich all’ an den Spielmann zu machen.
XIII.
D er Bürgermeister stand starr und stumm Und die Ratsherren alle so still und dumm, Als ob sie aus Holz geschnitten wären.
Es wagte auch keiner den Kindern zu wehren, Die lachend und plaudernd vorwärts schritten, Den bunten Spielmann in ihrer Mitten.
Die Herren, die erst so sicher waren, Wie litten sie jetztund Folterqualen, Als plötzlich der Spielmann, die Stadt verlassend, Zur Weser sich wandte. Zitternd, erblassend Sah’n sie die Kinder zu Wasser gehen Und glaubten im Geist schon ihr Grab zu sehen, —
Als plötzlich die Schaar sich seitwärts schob.
Dorthin, wo der Koppelberg sich erhob.
„Das Steigen wird ihm nun den Athem erschweren!
Jetzt muß er doch auf zu pfeifen hören Und unsere Kinder kehren zurück!“
So riefen sie alle voll hohem Glück. —
Steil stehet der Berg; die Kinder davor —
Da öffnet sich plötzlich ein weites Thor; Hinein geht der Spielmann; die Kinder ihm nach; —
Dann schließet der Berg sich mit lautem Krach.
Ein einziger Knabe nur blieb zurück; Blieb ausgeschlossen von Lust und Glück, Das allen den Kindern der Spielmann verhieß, Als wunderbar süß er die Flöte blies.
„Die Schuld lag an meinen lahmen Füßen, Daß ich zurück hab’ bleiben müssen.
Und niemals vermag ich mehr mich zu freu’n, Möcht’ auch bei den anderen Kindern sein; Möcht’ leben wie sie so herrlich und schön, Wie wir es im Liede des Spielmanns geseh’n.“
So hörte man ihn oft traurig sagen Auf alle theilnahmsvollen Fragen.
„Der Spielmann versprach in ein Land uns zu führen,
Wo alle die Vögelein musicieren, Wo Früche so goldig, so reif und so schön Auf allen den Zweigen der Bäume zu seh’n; Wo Blümelein duften, so süß, ach so süß.
Wie einst in dem herrlichen Paradies, Krystallklare Bächlein lieblich rauschen Und freundliche Grüße mit Kindern tauschen,
Die Pferde mit Flügeln sich aufwärts schwingen Und schnell wie die Rehe die Hunde springen.
Auch sprach eine Stimme so hold und so mild:
„Bald wird Dir Dein Schmerz in dem Fuße gestillt.“
Da plötzlich stellt er das Pfeifen ein; Ich fand vor dem Berge mich ganz allein, Muß immer noch hinkend an Krücken geh’n, Und werde nun niemals die Wunder seh’n.“
XIV.
O Hameln, o Hameln, du arme Stadt!
Gar manchem noch außer dem hohen Rat Fiel jetzt wohl der Spruch aus der Bibel ein, Es würde um gar Vieles leichter sein Ein Kamel durch ein Nadelöhr zu zwingen, Als
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