Der Rattenfänger
Hunde-Pit fort. Hast du mich verstanden?«
Angespanntes Schweigen.
»Ich warte«, sagte Jago schließlich.
Obwohl Scullys Unterkiefer zuckte und seine Augen böse funkelten, murmelte er: »Ich habe verstanden.«
»Gut«, erwiderte Jago und starrte Scullys Kumpel herausfordernd an. »Hat sonst noch jemand etwas auf dem Herzen? Nein? Na, da bin ich aber froh.«
Er drehte sich zu Hawkwood um und murmelte finster: »Blöde Arschlöcher«, und hob sein Glas. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Wer ist das?«, erkundigte sich Hawkwood.
»Scully?« Jago spuckte den Namen förmlich aus und stellte den Krug wieder auf den Tisch. »Nichts als eine miese Kielquappe. Achten Sie nicht auf ihn.«
»Ein Seemann?«
»Ja. Und ausgerechnet er redet von schlechter Gesellschaft. Darüber könnte Scully ein Buch schreiben. Wenn der Bastard überhaupt schreiben kann«, fügte Jago mit grimmigem Humor hinzu.
»Was weißt du über ihn?«
Jago starrte kurz in seinen Becher, blickte dann auf und zuckte abweisend mit den Schultern. »Er war bei der Marine. Behauptet, als Captain der Kanoniere auf der Inflexible gedient zu haben.« Jago verzog verächtlich die Lippen. »Er war einer von Parkers Schlägern.«
»Parker?«
»Ja, genau der. Delegates of the Whole Fleet at the Nore schimpften sich diese Großmäuler. Ich würde sie anders nennen.«
Da begriff Hawkwood, wovon Jago sprach. »Du meinst die Meuterer?«
Jago nickte. »Es heißt, er sei einer der Rädelsführer gewesen.«
Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass Jago, der Deserteur, einen Meuterer in ein derart schlechtes Licht rückte. Hawkwood wusste jedoch, dass für Jago zwischen beiden ein himmelweiter Unterschied bestand.
»Und wie ist es ihm gelungen, durch das Netz zu schlüpfen?«, fragte Hawkwood.
»Na, die Geschichte wird Ihnen gefallen«, sagte Jago. »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass er Kanonier auf der Inflexible war.«
Hawkwood nickte.
»Es war die Mannschaft der Inflexible, die sich als Letzte ergeben wollte – bis auf etwa ein Dutzend Männer, einschließlich Scully, die weiterkämpfen wollten. Die anderen hatten jedoch die Nase voll und haben Scully und seine Kumpane unter Deck eingesperrt. Und während die Besatzung auf die Kapitulation gewartet hat, ist es Scully und seinen Männern gelungen, durch ein Kanonenloch zu klettern und mit Beibooten zu fliehen.«
Jago schilderte, dass die Flüchtigen es bis nach Faversham geschafft, dort eine Schaluppe gestohlen hatten und nach Calais gesegelt waren, um zu den Franzosen überzulaufen.
»Die dachten, sie würden mit offenen Armen in Empfang genommen«, fuhr Jago fort und lehnte sich zurück. »Blöde Scheißkerle! Gleich nach der Landung haben die Franzosen sie ins Gefängnis gesteckt. Wahrscheinlich sollten sie gegen unsere Kriegsgefangenen eingetauscht werden.«
»Ist es so gekommen?«
»Nee. Irgendwann wurden sie freigelassen. Die meisten haben dann auf französischen Kaperschiffen angeheuert.«
»Scully auch?«
»Behauptet er jedenfalls. Angeblich war er acht Jahre Freibeuter, ehe er vor Martinique von Bord gesprungen und sich auf den Heimweg gemacht hat. Dann ist er ins Schmugglergeschäft eingestiegen. Er stammt aus meiner Gegend, aus Sheerness, und kennt die Küste, alle Landeplätze und Verstecke vor dem Zoll wie seine Westentasche. Eins muss ich ihm aber lassen«, fügte Jago hinzu. »Es gibt wohl nicht viele Kerle, denen durch einen Sprung ins Wasser zweimal die Flucht gelungen ist.«
»Jetzt ist er aber weit weg von zu Hause«, sagte Hawkwood.
»Sind wir das nicht alle?«, murmelte Jago und ließ seinen Blick durch den Keller schweifen. Ihm entging nichts. »Tatsächlich ist Scully – wir nennen ihn auch Ahle – einer der besten leichten Reiter auf dem Fluss.«
Es gab zwei Arten von Reitern. Schwere Reiter begingen ihre Beutezüge im hellen Tageslicht, während die leichten Reiter den Schutz der Dunkelheit vorzogen. Die Jagdgründe dieser Banden waren am Fluss ankernde Schiffe. Sie nutzten Ebbe und Flut und das Mondlicht, spähten geeignete Frachtkähne und Leichter aus, kappten die Taue und ließen die Schiffe stromabwärts treiben und an einem geeigneten Landeplatz stranden. Dort entluden sie die Fracht und übergaben sie Hehlern zur Verteilung und zum Verkauf. Für Männer mit starken Nerven und den richtigen Verbindungen war das ein gutes Geschäft.
»Warum hat er den Spitznamen ›Ahle‹?«, fragte Hawkwood.
»Wegen seiner Art, mit Leuten umzugehen, die ihm in die
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