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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Quere kommen. Er verpasst ihnen ein Merkmal, er zeichnet sie. Ja, so könnte man es nennen …«
    Hawkwood wartete.
    »Die meisten Männer tragen ihren Streit mit den Fäusten oder einer Klinge aus«, fuhr Jago fort und deutete auf den Nebentisch. »Scully jedoch benutzt eine Ahle. Das ist eine schreckliche Waffe, wenn sie in die falschen Hände gerät.«
    Dieser Erklärung hätte es nicht bedurft, denn Hawkwood kannte alle Arten von Waffen, mit denen Gewalttäter ihren Mitmenschen – egal, ob Männern, Frauen oder Kindern – schwere Körperverletzungen zufügten. Der Seemann Scully war nur ein weiteres Strandgut, das die Flut in die Elendsviertel der Hauptstadt geschwemmt hatte: Entwurzelte, brutale Typen, die für ihre Zwecke vor keiner Methode der Einschüchterung zurückschreckten.
    »Scully hasst jede Form von Autorität«, erklärte Jago weiter. Er hatte sichtlich Gefallen an diesem Thema gefunden. »Wie es heißt, wollte er alle Offiziere der Inflexible an der nächsten Rahnocke baumeln lassen. Seltsamerweise hat ausgerechnet Parker ihn daran gehindert. Angeblich hat er jedoch einen Offizier des französischen Kaperschiffs, auf dem er angeheuert hatte, getötet, ehe er über Bord gesprungen ist. Erst hat er dem armen Kerl den Schädel eingeschlagen und dann mit der Ahle die Hände durchbohrt.«
    Jago leerte sein Glas und stellte es auf den Tisch. »Soll ich noch mal nachschenken?«
    Hawkwood schüttelte den Kopf. »Es wird Zeit aufzubrechen. Ich will deine Gastfreundschaft nicht überstrapazieren.«
    »Ohne Begleitung lasse ich Sie nicht gehen«, warnte Jago. »Draußen ist es schon dunkel. Da ist es gefährlich, durch die Gassen zu irren. Schließlich weiß man nie, wer einem begegnet. Und ich würde meines Lebens nicht mehr froh, sollte Ihnen was zustoßen«, fügte der Exsergeant augenzwinkernd hinzu.
    Dann trat Jago ans Geländer und winkte jemandem in der Schänke unten zu. Aus dem Zuschauerkreis am Hunde-Pit löste sich eine kleine Gestalt und stieg die Treppe hoch. Erst bei näherem Hinsehen erkannte Hawkwood, dass es sich dabei nicht um Jenny, sondern um einen kleinen, zaundürren Wuschelkopf handelte, der ihm bekannt vorkam. Tatsächlich war es der Junge, der Major Lawrence so geschickt die Taschenuhr geklaut hatte. Irgendwo zwischen Witwe Gants Absteige und der Bridewell-Besserungsanstalt war Tooler, dem Taschendieb, wohl die Flucht gelungen.
    Tooler grinste Hawkwood frech an, tippte sich mit den Fingern an die Schläfen, als würde er salutieren, und sah dann Jago erwartungsvoll an.
    Ich werde mir Constable Rafferty vorknöpfen und ein ernstes Wort mit ihm reden, dachte Hawkwood grimmig.
    Jago legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. »Du bringst ihn sicher nach Hause, Tooler. Den ganzen Weg, hörst du? Ich will nicht, dass du plötzlich verschwindest und er Räubern und anderen Taugenichtsen in die Hände fällt. Kapiert?«
    Tooler nickte gehorsam.
    »Und dann kommst du schnurstracks wieder hierher. Trödle nicht rum, und steck deine klebrigen Finger nirgends rein, wo sie nicht hingehören, zum Beispiel in die Taschen anderer Leute. Kapiert?«
    Hawkwood merkte, dass Jago sich in dieser gönnerhaften Pose gefiel, weil er sich in übertriebenen Ermahnungen erging. An seiner Stelle hätte ich diese Situation wohl auch ausgenutzt, dachte er sich.
    »Passen Sie auf sich auf, Cap’n«, sagte Jago und streckte die Hand aus.
    »Und du auf dich, Nathaniel«, entgegnete Hawkwood und drückte fest Jagos Hand. Dieser Händedruck drückte die nach wie vor innige gegenseitige Freundschaft aus und besiegelte auch Jagos stillschweigendes Versprechen, irgendwelche Informationen über den Raubüberfall auf die Kutsche, die ihm zu Ohren kommen sollten, an den Captain weiterzuleiten.
    Jago sah Hawkwood und dem Jungen nach, als die beiden sich durch die Menge in der Schänke drängten. Und kaum war der hochgewachsene Runner aus der Tür, entspannte sich die Atmosphäre im Keller merklich.
    Jetzt erhoben sich zwei der Männer am Nebentisch.
    »Bleib, wo du bist, Asa Hawkins«, knurrte Jago warnend.
    »Und du auch, Will Sparrow. Mir schwant, dass ihr Böses im Schilde führt, Jungs. Habe ich Recht, Ahle? Vielleicht wollen deine Jungs meinem Freund irgendwo auflauern?«
    »Nein, wir gehen nur pinkeln, Jago«, wimmerte Hawkins.
    »Und Sparrow soll ihn wohl dabei halten und hinterher ausschütteln, wie? Setzt euch. Eine Weile könnt ihr bestimmt noch warten. Und was ist mit dir, Ahle? Verspürst du auch ein dringendes

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